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„Mit unserem Mandat konnten wir nur begrenzt gegen Angriffe von Dschihadisten vorgehen.“

Schon seit längerem stand die UN-Friedensmission in Mali (MINUSMA) in der Kritik, bevor der Sicherheitsrat im Juni 2023 das Mandat nicht verlängerte. Wie verläuft der Abzug der Truppen? Ein Interview mit Fatoumata Sinkoun Kaba, MINUSMA-Pressesprecherin.

Ein Peacekeeper mit blauem Helm schaut auf eine sandige Straße, im Hintergrund steht eine weißer Panzer.
MINUSMA-Peacekeeperin in Mopti (UN Photo/Harandane Dicko)

DGVN: Die Mehrdimensionale integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali – MINUSMA) soll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Wird es möglich sein, diese Frist einzuhalten, und wie viele Truppen sind derzeit noch in Mali stationiert?

Fatoumata Sinkoun Kaba: Wir liegen im Zeitplan, wir haben am 18. November den neunten von dreizehn Stützpunkten geschlossen. Dieser hieß Ansongo und liegt in der Region Gao. Danach müssen wir im Dezember nur noch einen weiteren Stützpunkt in Mopti, Zentralmali, schließen. Die Lager in Bamako, Gao und Timbuktu werden nur noch als Abwicklungsstandorte dienen, die wir brauchen, um nach dem 31. Dezember restliches Material zu beseitigen. Da also immer mehr Truppen und Personal abziehen, wissen wir, dass wir die Frist einhalten werden, und vielleicht nicht einmal bis zum 31. Dezember brauchen. Die Abwicklungs- oder Liquidationsphase beginnt am 1. Januar, wie in der Resolution 2690 des UN-Sicherheitsrats, mit der das Mandat der MINUSMA beendet wurde, festgelegt.

Der letzte Konvoi aus Kidali kam zwei Wochen in Gao an. Die malischen Behörden hatten nur eingeschränkt Genehmigungen für den Lufttransport erteilt, so dass die Truppen per Konvoi den Stützpunkt verlassen mussten, wobei sie auf Sprengfallen stießen. Wie gefährlich ist der Abzug der MINUSMA-Truppen?

Ich glaube, das war unser gefährlichster Rückkehrkonvoi. Jeden Tag stieß er auf improvisierte Sprengsätze. Dabei wurden 37 Peacekeeperinnen und Peacekeeper verwundet und sieben gepanzerte Fahrzeuge beschädigt. Wegen seiner Länge von neun Kilometern konnte der Konvoi nur 50 Kilometer pro Tag zurücklegen. Ein kürzerer Konvoi wäre weniger risikoreich gewesen, aber für 400 Militärangehörige in Kidali wurden keine Fluggenehmigungen erteilt. Zwar wurden einige Flüge genehmigt, die den Rückzug von überwiegend zivilem Personal möglich machten, aber größere Konvois sind grundsätzlich mit höheren Risiken verbunden. Der Konvoi stand vor einer echten Herausforderung, weil er so viele Menschen an Bord hatte. Das bedeutete, dass sie nicht so viele Lebensmittel, Wasser und Treibstoff mitnehmen konnten, wie sie brauchten, so dass ihre Bestände knapp wurden. Glücklicherweise wurden am 6. November Nachschubflüge für MINUSMA genehmigt, und die Truppen wurden versorgt, aber angesichts der Sicherheitslage war es dennoch nicht einfach, einen sicheren Landeplatz für die Hubschrauber zu finden.

Ab dem 1. Januar wird die Abwicklungsphase mit einem kleinen Team beginnen. Wie wird diese Phase ablaufen?

Die Liquidationsphase konzentriert sich ganz auf die Logistik und die Abwicklung von Material. Das bedeutet, dass nur Mitglieder des Liquidationsteams zurückbleiben, die in drei Lagern untergebracht werden: Gao, Timbuktu und Bamako. Aufgrund der umfangreichen Menge an Material, die sich im Laufe des 10-jährigen Einsatzes von MINUSMA angesammelt haben, wird der Abwicklungsprozess mehrere Monate in Anspruch nehmen. Die Länder, die Truppen zur Verfügung stellen, entsenden nicht nur Personal, sondern auch ihre eigene militärische oder polizeiliche Ausrüstung, darunter auch sensible Gegenstände. Wir werden auch weiterhin alles an Material der Länder, die Truppen und Polizeikräfte zur Verfügung stellen, zurückführen. Alles, was sich in einem ausgezeichneten Zustand befindet und für andere Missionen geeignet ist, wird weitergegeben, während das, was nicht transportiert oder wiederverwendet werden kann, gemäß den spezifischen UN-Vorschriften und -Verfahren für ‚forced abandonment‘ zerstört oder unbrauchbar gemacht wird.

Schließlich werden wir auch einiges an Material verkaufen, auch an andere UN-Organisationen, falls diese Interesse haben. Die Liquidationsphase umfasst daher Rückführungen, Verkauf, Überführung an andere Missionen und Spenden. Aus diesem Grund werden nur Mitglieder des Liquidationsteams, einschließlich einer Nachhut zur Sicherung des Materials, benötigt.

Wer wird das Machtvakuum nach Abzug der MINUSMA-Truppen füllen?

Mali ist ein souveräner Staat, und MINUSMA wurde zur Unterstützung seiner Bemühungen um Frieden und Sicherheit entsandt. Unser Handeln war daher stets von dem Grundsatz geleitet, die malischen Behörden zu unterstützen und nicht zu ersetzen. Wenn wir abziehen, werden die Behörden weiterhin ihre nationalen Aufgaben wahrnehmen, und das UN-System wird weiterhin zur Verfügung stehen, um die von den Behörden für angemessen erachtete Unterstützung zu leisten. Es gibt viele UN-Organisationen, -Fonds und -Programme vor Ort in Mali.

Foto: Fatoumata Sinkoun Kaba
Foto: Fatoumata Sinkoun Kaba

Welche Auswirkungen hat der Abzug der MINUSMA-Truppen für die malische Zivilbevölkerung?

Im Wesentlichen haben wir grundlegende Versorgungsleistungen in einigen sehr abgelegenen Gebieten erbracht. Einige dieser Gemeinden sagten uns, dass sie bis zum Einsatz von MINUSMA noch nie zuvor diese Grundversorgung erhalten hätten. Was allerdings die Sicherheit anbelangt, so mussten wir aufgrund der ständigen Angriffe Rückschläge hinnehmen. Aber unsere Präsenz hat dazu beigetragen, Gewalt in den Gebieten zu verhindern, in denen MINUSMA Polizei- oder Militärpatrouillen durchführte. Dies führte zu einer relativen Befriedung, die es den Menschen ermöglichte, ihr tägliches Leben wieder aufzunehmen, insbesondere erlaubte es ihnen wieder den Zugang zu wichtigen Märkten. Die Sicherheit dieser Märkte war von entscheidender Bedeutung, denn ohne sie gäbe es keinen Handel, keine Lebensmittel und die Lebensgrundlage der Menschen wäre gefährdet. Bei diesen Maßnahmen arbeiteten wir Hand in Hand mit der malischen Polizei und Armee. Wir patrouillierten teilweise gemeinsam oder koordinierten unsere Maßnahmen. Wir schulten sie auch, um sicherzustellen, dass bei allen Einsätzen Menschenrechte geachtet werden. Dazu gehörte auch, dass wir die Polizisten im Umgang mit Menschenmengen, in der Verfolgung von Straftaten und in der Absicherung von Wahlen schulten und der Polizei in den Regionen, in denen wir Stützpunkte hatten, sogar Ausrüstung zur Verfügung stellten.

Darüber hinaus haben wir uns intensiv um den Aufbau von Konfliktlösungskompetenzen bemüht und dabei mit einem breiten Spektrum von Personen wie Frauen, jungen Menschen, religiösen und kommunalen Verantwortlichen sowie verschiedene Justiz- und Verwaltungsbehörden gearbeitet. Mit diesen Schulungen wollten wir sie darin unterstützen, sich weiterhin für den Frieden einzusetzen. Schließlich ging es bei unserem Auftrag immer darum, die Grundlagen für dauerhaften Frieden und Stabilität zu schaffen.

Die wohl zentrale Frage ist: Was hat gefehlt, damit die MINUSMA ihr Mandat erfolgreich hätte erfüllen können?

Ich denke, das ist eine Frage für Historikerinnen und Historiker oder Analystinnen und Analysten, aber wir können mit Überzeugung sagen, dass MINUSMA in Mali wirklich etwas bewirkt hat. Unsere Arbeit zum Aufbau der Infrastruktur, zur Sicherung der Grundversorgung und zur Unterstützung von Konfliktlösungen war von entscheidender Bedeutung. Wir haben uns aber nicht nur darauf beschränkt, sondern auch kulturelle Projekte als Beitrag zum Frieden unterstützt und der malischen Polizei, dem Militär, der Zivilgesellschaft, Frauen und jungen Menschen umfassende Schulungen angeboten. Diese Arbeit legt den Grundstein für die langfristige Stabilität Malis. Unsere Arbeit hat den lokalen Gemeinschaften die Mittel an die Hand gegeben, die sie zur friedlichen Lösung von Konflikten benötigen, und ihre Widerstandsfähigkeit und Unabhängigkeit gestärkt. Der Wert der von uns vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten geht weit über das, was wir finanziell investiert haben, hinaus.

MINUSMA spielte auch eine entscheidende Rolle bei der Wahrung der territorialen Integrität Malis und bei der Stabilisierung des Landes. Wir haben dazu beigetragen, lokale Behörden in Regionen zurückzubringen, in denen sie zuvor nicht präsent waren, und so die Rechtsstaatlichkeit gefördert und die Umsetzung des Friedensvertrags von Algier unterstützt. Ein weiterer wichtiger Beitrag war die Verbesserung des Zugangs zur Justiz in abgelegenen Gebieten, indem wir die Justizbehörden bei der Einrichtung mobiler Gerichte unterstützten, was zur Verringerung der Gewalt beitrug und friedliche Ansätze zur Beilegung von Streitigkeiten förderte.

Allerdings hätte unsere Arbeit mit einer stärkeren Kooperationsbereitschaft der malischen Behörden noch mehr Wirkung erzielen können. So waren unsere Maßnahmen zum Beispiel eingeschränkt, weil wir nicht immer die erforderlichen Genehmigungen für Überflüge erhielten. Dadurch war es für uns schwieriger, Bedrohungen und Angriffe zu erkennen und darauf zu reagieren, was unsere Leistungsfähigkeit insgesamt beeinträchtigte.

Kam das Ende des Mandats für die MINUMSA-Angehörigen überraschend?

Die malische Regierung hatte Bedenken geäußert, dass das MINUSMA-Mandat die Sicherheitsprobleme des Landes nicht angemessen angehen würde, aber die Entscheidung, die Truppe in sechs Monaten abzuziehen, kam für viele Menschen überraschend. Im Vorfeld der Resolution 2690 des UN-Sicherheitsrat, mit der das MINUSMA-Mandat beendet wurde, gab es aber bereits Anzeichen. Es kursierten Gerüchte und Medienberichte erschienen, die auf ein Ende der MINUSMA-Mission hindeuteten.

Und es stimmt, dass UN-Friedensmissionen im Allgemeinen daraufhin überprüft werden, wie effektiv sie wirklich sind, und das gilt auch für MINUSMA. Wir haben unser Bestes getan, um unsere Ziele zu erreichen, aber mit unserem Mandat konnten wir nur begrenzt gegen Angriffe von Dschihadisten vorgehen. Diese Herausforderungen betreffen nicht nur uns, sondern sind Teil eines größeren Problems. Terrorismus in all seinen Ausprägungen verändert sich in einer Weise, die bei der Etablierung der ersten UN-Friedensmissionen noch nicht absehbar war.

Gibt es Lehren für andere UN-Friedensmissionen aus MINUSMA zu ziehen?

Eine große Friedensmission wie die unsere in Mali, vor allem nach einem Jahrzehnt und unter Beteiligung von über 50 Ländern, ist eine enorme logistische Aufgabe. Sie erfordert eine sorgfältige Planung und Koordinierung zwischen den Vereinten Nationen, Mali und allen Ländern, die Truppen und Polizei zur Verfügung stellen.

Zusätzlich zu all diesen logistischen Herausforderungen müssen wir uns mit dem Misstrauen der Öffentlichkeit und der Verbreitung von Falschinformationen auseinandersetzen. Bis zum Ende unserer Mission werden wir weiterhin wichtige Versorgungsleistungen wie Evakuierungen aus medizinischen Gründen und Minenräumung benötigen, da Terrorgruppen unsere Konvois immer wieder ins Visier nehmen. Wir müssen flexibel bleiben und bereit sein, unsere Pläne anzupassen, wenn sich die Sicherheitslage in der Region ändert. Aber wie bereits erwähnt, ist MINUSMA trotz aller Herausforderungen auf dem besten Weg, Mali bis zum 31. Dezember zu verlassen, wie in der Resolution 2690 des UN-Sicherheitsrats vorgesehen.

Das Interview führte Sophie Humer-Hager.


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