Kulturerbe trifft Klimawandel
Denn es gibt mittlerweile eine ernstzunehmende Bedrohung für viele unserer beliebten Reiseziele, die sich schleichend aber immer deutlicher bemerkbar macht: Der Klimawandel.
Der Tourismus steht dem Klimawandel ungeschützt gegenüber
Wie sehr zum Beispiel die weltweiten UNESCO-Welterbestätten bereits vom Klimawandel betroffen sind, zeigt eindringlich der Bericht „World Heritage and Tourism in a Changing Climate“ der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO). Die von der UNESCO geführte Liste des Welterbes umfasst aktuell 1.073 Stätten in 167 Ländern. Es handelt sich dabei um Kulturdenkmäler, Naturstätten und solche, die beides vereinen (UNESCO, Stand 10. Juli 2017).
Die Auswirkung des Klimawandels auf und durch die großen Touristenströme wird in diesem Bericht am Beispiel von 12 namenhaften Welterbestätten herausgearbeitet. Der Bericht und seine Fallstudien soll zeigen, wie wichtig es ist, die Zusammenhänge besser zu verstehen und Veränderungen zu beobachten, um die Ursachen und Folgen genau adressieren zu können, so der Bericht.
Denn die Frage wird sein, wie schnell und nachhaltig sich die gesamte Tourismusindustrie auf den Klimawandel einstellen muss und ob es reicht, den Urlaub nur etwas umweltfreundlicher zu gestalten.
Ohne Gorilla kein Tourismus
Im Bwindi-Regenwald in Uganda, bereits seit 1994 auf der UNESCO-Welterbe-Liste, hält sich ungefähr die Hälfte aller heute noch lebenden Berggorillas auf. Gorilla-Trecking-Touren sind ein wichtiger Faktor für Ugandas Wirtschaft. Temperaturanstieg und Veränderungen der Niederschlagsmengen und -zeiten bedrohen zunehmend den Lebensraum dieser seltenen Tiere. Der Stress nimmt auf vielen Ebenen für sie zu und es ist schwer einzuschätzen, wie sie sich auf die Veränderungen einstellen können. Der Schutz dieser Tiere müsse weiter verstärkt werden, auch um den Tourismus weiterhin attraktiv zu halten, so der UNESCO-Bericht in seiner ersten Fallstudie.
Der stetige Temperaturanstieg und die damit verbundene zunehmende Trockenheit in den Sommermonaten führen auch im Yellowstone-Nationalpark in den Vereinigten Staaten zu großen Veränderungen im Ökosystem, das zeigt eine weitere Fallstudie des Berichts. Weniger Schnee, weniger Schneeschmelze, weniger Wasser in den Flüssen und gestiegene Wassertemperaturen – das alles, kurzgefasst, führt zu einem Rückgang der Feuchtgebiete und zu einer Zunahme von Waldbränden. Der älteste Nationalpark der Welt verändert sich und könne damit auch langfristig typische, charakteristische Tiere und Pflanzen verlieren und damit durchaus auch für Touristen unattraktiver werden, so der Bericht. Die Besucherzahlen waren jedoch noch nie so hoch wie im letzten Jahr, über 4,2 Millionen Menschen wurden 2016 im Nationalpark gezählt (National Park Service, August 2017).
Fast jeder kennt die Galapagosinseln und hat von ihrer außerordentlichen und einmaligen (endemischen) Flora und Fauna schon in der Schule gehört. Es ist daher nicht überraschend, dass Touristen den Archipel im Pazifischen Ozean vor allem besuchen, um unter anderem Galápagos-Riesenschildkröten und -Pinguine in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten. Vor allem die Population der Pinguine schwankt stark unter den klimabedingten Veränderungen des Ökosystems, zum Beispiel durch El Niño. Doch auch hier kommt der Druck auf die ohnehin vom Aussterben bedrohten Tiere und Pflanzen von einer anderen Seite: Wegen der negativen Folgen der Touristenströme insbesondere auf den Siedlungsbau hatte die UNESCO Ecuador 2007 damit gedroht, den Nationalpark aus ihrer Welterbe-Liste zu streichen, und so musste das Land u. a. den Tourismus stärker regulieren.
Der Klimawandel macht vor dem Welterbe nicht Halt. Doch der Druck durch die Touristen selbst ist anhaltend hoch, denn sie sind in einer engen Partnerschaft gefangen: Die Länder sollen die Einzigartigkeit ihrer Welterbestätten für nachfolgende Generationen schützen und gleichzeitig für uns alle vorzeigbar machen. Doch eins ist klar: ohne Welterbe keine Touristen und da wird der Klimaschutz immer wichtiger.
All-inclusive auch den Klimaschutz?
Die Reisebranche ist eines der größten und am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige weltweit. Sie ist immer noch sehr stark auf energieintensive Verkehrsträger wie Flugzeuge und Automobile angewiesen. 5% der klimaschädlichen Emissionen auf der Welt gehen auf den Tourismussektor zurück, so die Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen (UNWTO). Auch die UNWTO legt seit Jahren einen schwierigen Spagat hin: Sie muss den Tourismus als wichtige Wirtschaftskraft vor allen in den Entwicklungsländern positiv herausstellen und weiter fördern und gleichzeitig auf die negativen Folgen durch den Massentourismus hinweisen.
Die UN-Generalversammlung der Vereinten Nationen hat das Jahr 2017 zum Internationalen Jahr des Nachhaltigen Tourismus für Entwicklung erklärt. Die UNWTO, auf deren Initiative das Jahr ausgewiesen wurde, hat sich damit Nachhaltigkeit auf ihre Hauptagenda gesetzt, damit Tourismus auch noch in Zukunft tragbar ist. Es soll dabei unterstützen, den Tourismus in umweltfreundliche und sozialverträgliche Bahnen zu lenken (siehe auch unseren Artikel vom 9.1.2017).
Da hagelt es viel Kritik auch von Seiten der Reisebranche selbst: „Kein Wort verliert die UNWTO darüber, wie sie mit den inhärenten Widersprüchen zwischen dem von ihr prognostizierten Wachstum und den damit einhergehenden Wirkungen umgehen will – auf globaler Ebene mit der Klimaerwärmung und dem Verlust der Artenvielfalt, auf lokaler Ebene mit dem ‚Dichtestress‘ und dem Ressourcenverschleiß bei gleichzeitig steigenden Lebenshaltungskosten für die Einheimischen.“ Das schreibt Christine Plüss, fairunterwegs-Redaktion.
Einen Urlaub frei von Schuld, bitte!
Aber wie sieht ein klimaneutraler Urlaub aus? Beispiele und Anbieter gibt es im Netz bereits in Hülle und Fülle. Dieser Beitrag ist mit Fotos gefüllt, die aus einer Reportage über Montenegro („A guilt-free holiday“) der United Nations Development Programme (UNDP) stammt. So beginnt es langsam: Durch einen kleinen, freiwilligen Beitrag - nach Berechnung durch einen sogenannten Carbon-Footprint-Calculator („CO2-Fußabdruck-Rechner“) – können Investitionen in z. B. solarbetriebene Sitzbänke zum Aufladen eines Smartphones und der Bau neue Fahrradwege unterstützt werden.
Der Bericht „World Heritage and Tourism in a Changing Climate“ kann auf der Website der UNESCO heruntergeladen werden.
Birgit Linde
Die Autorin hat in diesem Jahr zwei Wochen Fahrrad-Urlaub in und um Aahrhus in Dänemark gemacht, Anreise mit der Bahn. Die Stadt ist dieses Jahr Kulturhauptstadt, mit dem Motto: „Let´s rethink – Lasst uns umdenken!“ #wtd2017 #travelenjoyrespect