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Die Bedeutung der Jugend beim Umbau der Ernährungssysteme

Die Verbreitung von Unterernährung, eine der Formen des Hungers, ist weltweit gestiegen. Schuld daran sind nicht-funktionale Ernährungssysteme. Obwohl die Jugend als zentrale Kraft für den Umbau der Ernährungssysteme gilt, wird sie noch nicht genügend in Entscheidungsprozesse eingebunden.

Man sieht den Rücken eines jungen Mannes, der zwei grüne Gieskannen durch ein Feld trägt.
Die Mehrheit der jungen Menschen, die direkt oder indirekt in Ernährungssysteme involviert sind, lebt in ländlichen Gebieten. (UN Photo/Harandane Dicko)

Knapp einer dreiviertel Milliarde Menschen wird das Menschenrecht auf Nahrung täglich verwehrt. Da sich die Auswirkungen der Krisen – allen voran der Klimakrise und der weltweiten Ungleichheit – vervielfachen und verschärfen, leiden immer mehr Menschen unter extremem Hunger. Frauen, junge und marginalisierte Menschen tragen die Hauptlast. Doch bei genau diesen Bevölkerungsgruppen liegt zugleich eine große Chance zur Stärkung von Ernährungssouveränität und dem Umbau der Ernährungssysteme. Auch der Welthunger-Index (WHI) 2023 legt deshalb einen Fokus auf die Jugend als treibende Kraft für nachhaltige und gerechte Ernährungssysteme.

Die Treiber des Hungers

Das Problem des weltweiten Hungers liegt an den dysfunktionalen Ernährungssystemen. Darunter versteht man das Zusammenspiel aller Akteure und Ressourcen sowie der ökonomischen, politischen und ökologischen Rahmenbedingungen, die an der Produktion, Verarbeitung, Konsum und Entsorgung von Lebensmitteln direkt oder indirekt beteiligt sind und sie beeinflussen. Kurz gesagt, die Wege unserer Nahrung auf den Teller. Diese weltweiten Ernährungssysteme sind sehr anfällig gegenüber Schocks und Störungen, die durch Konflikte, die Klimakrise und wirtschaftliche Instabilität ausgelöst werden. Laut FAO müssen wir als Weltgemeinschaft unsere Anstrengungen verdoppeln, um die Ernährungssysteme nachhaltig und gerecht umzubauen, wenn wir das Ziel für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goal – SDG) 2 „Kein Hunger“ in den nächsten sieben Jahren auch nur annährend erreichen wollen.

Die Entwicklung der Hungerzahlen

Der Welthunger-Index 2023 verdeutlicht, dass einige Länder zwar bei der Reduzierung von Hunger vorangekommen sind, global gesehen seit 2015 – dem Jahr in dem die Agenda 2030  von den UN-Mitgliedstaaten verabschiedet wurde – jedoch kaum Fortschritte erzielt wurden. Die Verbreitung von Unterernährung ist in den letzten Jahren gestiegen und die Zahl der unterernährten Menschen hat sich auf etwa 735 Millionen erhöht. Südasien und Afrika südlich der Sahara sind die Weltregionen mit den höchsten Hungerraten. Zwar gab es dort zwischen 2000 und 2015 beträchtliche Fortschritte, doch seitdem stagnieren die Entwicklungen. Seit zwei Jahrzehnten werden dort durchweg die höchsten Hungerwerte festgestellt.

In neun Ländern herrscht, gemäß den WHI-Werten und vorläufigen Einstufungen für 2023, eine sehr ernste Hungerlage unter anderem in Burundi, Südsudan und Somalia. In weiteren 34 Ländern wird das Hungerniveau als ernst eingestuft, darunter Haiti, Afghanistan und Indien. Seit 2015 hat der Hunger in 18 Ländern mit mäßigen, ernsten oder sehr ernsten WHI-Werten für 2023 zugenommen.  Laut der aktuellen WHI-Berechnungen werden 58 Länder das Ziel eines niedrigen Hungerniveaus bis 2030 verfehlen. Von einem niedrigen Hungerniveau wird gesprochen, wenn der WHI-Wert, der sich aus dem Bevölkerungsanteil mit Unterernährung, Wachstumsverzögerung und Auszehrung bei Kindern und der Kindersterblichkeit berechnet, unter 9,9 liegt. Bei Werten über 50 ist das Hungerniveau gravierend.

Weltweit gibt es derzeit rund 1,2 Milliarden junge Menschen, die Mehrheit von ihnen lebt in Ländern des Globalen Südens in Südasien, Ostasien und Afrika. Oft mangelt es ihnen an Zugang zu Ressourcen, Land, Ausbildung und Möglichkeiten, um aktiv in Ernährungssystemen mitzuwirken. Wenn der Nährstoffbedarf bei Kindern und Jugendlichen nicht ausreichend gedeckt ist, wirkt sich dies sowohl auf ihre kognitive Entwicklung aus als auch auf ihre spätere Teilhabe an Gesellschaft und Wirtschaft.

Ernährungssouveränität stärkt die Ernährungssysteme  

Der Verlust von Ernährungssouveränität schwächt die Ernährungssysteme und führt damit zu Hunger. Unter Ernährungssouveränität versteht man das Recht aller Völker auf gesunde und kulturell angepasste Nahrung, nachhaltig und unter Achtung der Umwelt hergestellt, sowie das Recht der Bevölkerung, ihre Ernährung und Landwirtschaft selbst zu bestimmen. Um Ernährungssouveränität zu stärken, bedarf es kleinbäuerlicher Bewirtschaftungssysteme mit Ackerbau und Viehzucht. Ein wichtiger Baustein besteht auch im Schutz und Anbau von vielfältigem und traditionellem Saatgut und der Pflege indigener und vernachlässigter Pflanzen.

Die zentrale Kraft der Jugend

Außerdem birgt die Jugend ein großes Potential für positive Veränderung. Junge Menschen können Innovationen hervorbringen, die Ernährungssysteme an ihre lokalen Kontexte anpassen und damit Ernährungssouveränität stärken und Ernährungssicherheit gewährleisten. Sie können zugleich dazu beitragen, dass indigene und traditionelle Anbausysteme und Kulturpflanzen, die derzeit bedroht sind, wieder aufleben. Eine derartige Transformation kann der Jugend faire und attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten bieten.

Da die Mehrheit der jungen Menschen, die direkt oder indirekt in Ernährungssysteme involviert sind, in ländlichen Gebieten lebt, ist für eine stärkere Beteiligung junger Menschen an Ernährungssystemen ein ganzheitlicher Ansatz notwendig. Dieser muss auf eine allumfassende Verbesserung der ländlichen Wirtschaft, des sozialen Wohlergehens und von Dienstleistungen im ländlichen Raum ausgerichtet sein, so der Welthunger-Index 2023.

Mitbestimmung der Jugend ist ein Muss

In einer Erklärung auf dem Globalen Forum für Ernährung und Landwirtschaft 2023 in Berlin forderten junge Landwirtinnen und Landwirte, dass  Staaten entscheidende politische Veränderungen für einen Strukturwandel in der globalen Wirtschaft herbeiführen, um widerstandsfähige und nachhaltige Ernährungssysteme aufzubauen.

Die Jugend hat ein Recht zur Mitbestimmung. Staaten und weitere Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen profitieren zugleich von der Motivation, Kreativität und Dynamik junger Menschen zum Umbau der Ernährungssysteme und sollten diese nutzen.

Jugendliche müssen bei Entscheidungen, die sie betreffen, eine zentrale Rolle spielen und ihre Forderungen sollten auf allen politischen Ebenen berücksichtigt werden. Die Beteiligung junger Menschen an der Gestaltung, Umsetzung und der Überwachung politischer Strategien und Prozesse sollte ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend ausgeweitet werden. Nur so können mit ihrer Mitbestimmung tatsächlich krisensichere Ernährungssysteme entwickelt werden.

Laura Reiner


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