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Der steinige Weg zu einem Plastikabkommen

Während immer mehr Plastik produziert wird, stagniert das Recycling von Kunststoffen auf niedrigem Niveau. Für ein geplantes Abkommen fordern einige Staaten verbindliche Vorgaben zur Produktion von neuem Plastik. Das stößt auf Ablehnung – vor allem in Staaten mit starker petrochemischer Industrie.

Kinder laufen mit Müllsäcken auf dem Rücken an einem Müllberg vorbei, im Hintergrund ist giftiger Rauch zu sehen.
Kinder beim Sammeln von Plastik auf einem Müllberg in Haiti. (UN Photo/Logan Abassi)

Jedes Jahr steigt die Menge an Plastik, die weltweit hergestellt wird. Wurden zwischen den 1950er- und 1970er-Jahren nur geringe Mengen Plastik produziert, schnellte die Anfertigung ab den 2000er-Jahren in die Höhe. Fast 500 Millionen Tonnen jährlich sind es derzeit.

Weniger als zehn Prozent werden recycelt. Das Meiste wird verbrannt oder auf Müllkippen entsorgt. Trotzdem landet ein Teil davon in der Natur: Jedes Jahr gelangen 20 bis 30 Millionen Tonnen Plastik in die Umwelt. Vor allem in China, Indien, Indonesien, Malaysia, Myanmar und den Philippinen wird Plastik über Flüsse ins Meer transportiert. Dabei handelt es sich auch um importierte Kunststoffabfälle aus dem Globalen Norden.

Die Folgen sind dramatisch: Selbst in entlegenen Gebieten wie der Arktis, der Antarktis oder in Tiefseegräben finden sich längst kleinste Plastikpartikel. Auch im menschlichen Körper wurde bereits Mikroplastik nachgewiesen.

Schichten von Plastik im Boden als Zeugnis menschlicher Aktivität

Fachleute sprechen sogar vom „Plastikzeitalter“. Sie gehen davon aus, dass Plastikschichten im Boden sowie in den Sedimentablagerung auf dem Meeresboden den Beginn des Anthropozäns markieren, also jene geologische Epoche, in der menschliche Aktivitäten den Planeten dominieren.

In den nächsten zwei Jahrzehnten wird sich die Plastikproduktion verdoppeln und die Menge, die jährlich in die Meere gelangt, beinahe verzweifachen – sofern nicht gegengesteuert wird. Zwar haben einzelne Länder bereits Maßnahmen ergriffen, aber die reichen nicht aus, um die Plastikflut einzudämmen.

Deshalb wollen sich Staaten weltweit gemeinsam auf ein Plastikabkommen einigen. Der Beschluss wurde dazu im März des vergangenen Jahres auf der UN-Umweltversammlung (United Nations Environment Assembly - UNEA) gefasst.

Bis zum nächsten Treffen soll es einen Entwurf für ein Plastikabkommen geben

Insgesamt sind fünf zwischenstaatliche Verhandlungsrunden bis 2024 geplant. Anfang Juni ging in Paris die zweite Beratungsrunde zu Ende. Delegierte von 175 Staaten einigten sich darauf, dass bis zur nächsten Verhandlungsrunde im November im kenianischen Nairobi ein rechtsverbindlicher Entwurf für ein Abkommen vorgelegt werden soll.

Strittige Aspekte wurden aber im Verlauf der fünftägigen Beratungen nicht angefasst, sondern auf die nächsten Verhandlungsrunden verschoben. Dabei drängt die Zeit. Das Problem der Plastikverschmutzung müsse bis 2040 beendet werden, sagte Macron. Zu Beginn der Verhandlungen bezeichnete er das Problem als "tickende Zeitbombe“. Dass wirtschaftsstärkere Länder ihren Plastikmüll in Länder des Globalen Süden exportieren würden, die kaum Anlagen zur Abfallbehandlung hätten, müsse ebenfalls aufhören, sagte Macron weiter.

Doch zunächst stritten die Delegierten über Verfahrensfragen, also ob bei Beschlüssen Einstimmigkeit erforderlich ist oder ob das Mehrheitsprinzip gelten soll. Bis zum Ende des fünftägigen Treffens gab es dazu keine Einigung.

Länder bei Ambition und Reichweite gespalten

Strittig war auch wie weitreichend das geplante Abkommen werden soll. Hier prallten die Interessen verschiedener Länder aufeinander. Die größte Ländergruppe, zu der fast alle Länder des Globalen Nordens sowie viele Länder des Globalen Südens gehören, will die Produktionsmengen von Plastik stark begrenzen.

Staaten mit großer Kunststoffindustrie wie Brasilien, China, Russland, Saudi-Arabien und USA setzen sich dagegen für den Erhalt der bestehen Strukturen ein. Sie lehnen Einschränkungen bei der Plastikproduktion ab. Diese Länder wollen die Plastikverschmutzung mit besserem Recycling und Abfallmanagement in den Griff kriegen. Nach ihren Vorstellungen sollen sich die Länder zu selbstgesteckten Zielen verpflichten. Das künftige Abkommen würde lediglich den Rahmen für die Selbstverpflichtungen der Länder bilden, so wie es auch beim Klimaabkommen von Paris der Fall ist. Da Plastik größtenteils aus Erdöl hergestellt wird, geht es diesen Ländern darum, durch die Ausweitung der Produktion ihr Geschäft, das auf fossilen Ausgangsstoffen beruht, sicherzustellen.

Doch Recycling allein wird nicht ausreichen, um das Problem in den Griff zu bekommen. Schätzungen zufolge können etwa 20 Prozent des Plastikmülls durch Recycling vermieden werden. Dafür braucht es weltweit mehr Infrastrukturen, um Plastik zu sammeln, zu sortieren und zu recyceln. Ohnehin kann bislang nur ein geringer Anteil der Kunststoffe recycelt werden, da sie häufig Verbundstoffe enthalten. Diese Materialien erschweren das Recycling.

Helfen können dabei technische Standards und Vorgaben sowie Informationspflichten. Denn nur wenn klar ist, was in den Kunststoffen drinsteckt, kann recycelt werden. Doch Recycling ist energieintensiv: Es ist noch immer billiger, neues Plastik herzustellen anstatt mit recyceltem Material zu arbeiten.

Produktion von Kunststoffen muss weniger werden

Fachleute fordern deshalb eine deutliche Reduzierung der Plastikproduktion bis 2040. „Damit lässt sich die Verschmutzung fast halbieren, daher ist dies ein sehr effektiver Hebel, auf den wir nicht verzichten dürfen“, fordert die Meeresökologin Melanie Bergmann vom Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, die als Teil der deutschen Delegation an den Verhandlungen zum geplanten Plastikabkommen teilgenommen hat.

Weniger Plastik zu produzieren, kommt auch dem Klimaschutz zugute. Etwa 4,5 Prozent des weltweiten Ausstoßes an Treibhausgasen entfällt auf die Plastikherstellung. Das ist mehr als Luft- und Schifffahrt gemeinsam verursachen, obwohl beide Bereiche als besonders klimaschädlich gelten.

Fachleute fordern außerdem, bereits entstandene Plastikverschmutzung zu beseitigen. Sowohl der Plastikmüll an Land aber auch in Seen, Flüssen und Ozeanen muss eingesammelt werden. Doch einmal in den Ozean gelangt, zerfällt es in immer kleinere Teile – das macht eine Rückholung beinahe unmöglich. Klar wird immer wieder: Die Priorität muss darauf liegen, die Plastikproduktion zu senken und Recyling zu steigern.

Sandra Kirchner


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