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Unternehmen und Menschenrechte – Zögerliche Umsetzung der UN-Leitprinzipien

Im Dezember 2016 legte Deutschland seinen Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen vor. Das bisher eher zögerliche Engagement in der EU gibt allerdings Anlass zur Sorge.

Eine Arbeiterin steht mit Mundschutz an einer Nähmaschine und arbeitet mit Textilien.
In der Textilproduktion sind Arbeitsunfälle aufgrund fehlender Schutzmaßnahmen besonders häufig. (UN Photo/Eskinder Debebe)

Die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen zielen darauf ab, die Achtung menschenrechtlicher Standards entlang der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette transnationaler Unternehmen zu gewährleisten.

Ein wichtiger Akteur bei der Umsetzung der VN-Leitprinzipien auf europäischer Ebene ist die Europäische Union (EU), die als Staatenverbund in den Gremien der VN vertreten ist und deren Arbeit mitgestalten kann. Das bisher eher zögerliche Engagement sowohl der EU als auch ihrer Mitgliedsstaaten, rechtlich verbindliche Standards zum Schutz der Menschenrechte in Wirtschaftszusammenhängen zu implementieren, gibt allerdings Anlass zur Sorge.

Bereits 2011 hat die Europäische Kommission die Regierungen der Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte umzusetzen und entsprechende Nationale Aktionspläne zu erarbeiten. Während Staaten wie Dänemark, die Niederlande oder Schweden bereits 2012 mit der Erarbeitung begannen, legte die Bundesrepublik erst im Dezember 2016 ihren Aktionsplan vor. Dieser wurde innerhalb von zwei Jahren gemeinsam mit Akteuren aus Wirtschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft erarbeitet. Aktuell – rund ein Jahr nach der Verabschiedung des Aktionsplans – liegt noch keine offizielle Bilanz zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien vor. Allerdings attestierte das Deutsche Institut für Menschenrechte dem Aktionsplan bereits bei seiner Verabschiedung „gravierende Schwachpunkte“ und bezog sich dabei insbesondere auf das Fehlen konkreter Durchsetzungsinstrumente für den Menschenrechtsschutz im Rahmen unternehmerischen Handelns.

Ein Gewässer in einer Hochebene ist zu sehen. Auf der Wasseroberfläche ist ein schmieriger, öliger, brauner Film zu sehen.
Umweltverschmutzungen, verursacht durch den Rohstoffabba, können Menschenrechtsverletzungen nach sich ziehen. Hier ein durch Bauxit verschmutztes Gewässer in Jamaica 1972. (UN Photo/AF)

Wirtschaft und Menschenrechte im Fokus der Staatengemeinschaft

Durch die zunehmende Globalisierung haben vor allem transnational agierende Unternehmen an Macht und Einfluss gewonnen. Komplexe Liefer- und Wertschöpfungsketten sowie häufig rein profitorientierte Geschäftsmodelle können sich nachteilig auf Menschenrechte auswirken. Als Beispiele gelten die Verweigerung existenzsichernder Löhne und angemessener Schutzausrüstung oder die Zerstörung von Lebensgrundlagen durch rücksichtslosen Rohstoffabbau.

Vor diesem Hintergrund entwickelten die Vereinten Nationen die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die im Juni 2011 einstimmig vom Menschenrechtsrat angenommen wurden (Resolution 17/4). Obwohl nicht rechtlich bindend, stellen die Leitlinien bis heute den einzigen Konsens zwischen Staatengemeinschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft dar, der sich mit der Achtung von menschenrechtlichen Standards in Wirtschaftszusammenhängen befasst. Basierend auf bereits verabschiedeten Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (engl. International Labor Organisation, ILO) können die Leitlinien in drei Säulen zusammengefasst werden:

  1. Völkerrechtliche Pflicht des Staates zum Schutz und Umsetzung der Menschenrechte
  2. Eigenständige Verantwortung von Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte in all ihren Aktivitäten
  3. Zugang zu Abhilfe für Betroffene durch die Einrichtung von Beschwerdemechanismen durch Staaten und Unternehmen sowie die Garantie einer angemessenen Wiedergutmachung im Schadensfall

Um die Implementierung der Leitprinzipien in den Mitgliedsstaaten der UN zu gewährleisten und zu überwachen, rief der Menschenrechtsrat im Juni 2014 die zwischenstaatliche Arbeitsgruppe Wirtschaft und Menschenrechte ins Leben (Resolution 26/9). Deren Mitglied ist auch die Europäische Union als Staatenverbund.

Die Mitgliedschaft der EU in der Arbeitsgruppe veranschaulicht die beispielhafte Verflechtung zwischenstaatlicher Zusammenschlüsse mit den Vereinten Nationen: Auf europäischer Ebene ist die EU als Mitglied der Arbeitsgruppe maßgeblich für die Umsetzung der Leitprinzipien in ihren Mitgliedstaaten verantwortlich. Der Vertrag von Lissabon (in Kraft seit dem 1. Dezember 2009) gibt der EU eine eigene Rechtspersönlichkeit – eine Tatsache, die von der VN-Generalversammlung im Mai 2011 bekräftigt wurde (vgl. Resolution A/65/276). Das bedeutet, dass Vertreter der EU, in Gremien der UN wie dem Menschenrechtsrat mit den Mitgliedsstaaten abgestimmte Positionen vortragen oder eigene Vorschläge bzw. Interventionen in die Verhandlungen einbringen können.

Ein kleiner Markt in Goa ist zu sehen, es hängen viele Stoffe an Leinen und Männer sitzen an Nämaschinen
Witschaftlicher Aufschwung ist für die menschliche Entwicklung essentiell - er sollte, insbesondere von unternehmerischer Seite, Menschenrechtsstandards mit einbeziehen. Hier ein neu eröffneter Markt in Goa, Mali. (UN Photo/Marco Dormino)

Zögerliche Umsetzung der Leitprinzipien auf europäischer Ebene

Der ersten Säule der Leitprinzipien (Staatliche Pflicht zum Schutz der Menschenrechte) trägt die EU mit der Entwicklung der eingangs erwähnten Aktionspläne Rechnung. In Bezug auf die zweite Säule (Unternehmerische Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte) setzt die EU auf einen Mix aus Rechtsvorschriften und freiwilligen Maßnahmen, um die Übernahme sozialer Verantwortung (Corporate Social Responsibility) seitens der Unternehmen zu steigern. Hinsichtlich des Zugangs zu Rechtsmitteln und Abhilfe für Opfer von Menschenrechtsverletzungen (dritte Säule der Leitprinzipien) verweist die EU auf bereits existierende Mechanismen wie die Brüssel-I-Verordnung. Diese enthält Vorschriften über gerichtliche Zuständigkeiten und soll eine unkomplizierte, grenzüberschreitende Anerkennung von in den Mitgliedsstaaten getroffenen Entscheidungen – auch in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen – gewährleisten.

In ihrem Abschlussstatement zur Implementierung der Leitprinzipien während der dritten Sitzung der Arbeitsgruppe vom 23. bis 27. Oktober in Genf verwies die EU wiederholt auf die Notwendigkeit, bereits existierende Mechanismen zum Schutz der Menschenrechte in Wirtschaftszusammenhängen umzusetzen. Opfer könnten nicht auf das Ergebnis „komplizierter Diskussionen über weitere Rechtsvorschriften auf internationaler Ebene warten.“ Während solche Aussagen auf der einen Seite sinnvoll erscheinen, nähren sie gleichzeitig die von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen geäußerte Kritik an der europäischen Zurückhaltung bezüglich einer strikteren Regulierung transnationaler Unternehmen.

In der Tat setzt die EU im Hinblick auf die zweite Säule der Leitprinzipien hauptsächlich auf freiwillige Maßnahmen seitens der Unternehmen – im globalen Wettstreit um günstige Standortbedingungen sollen europäische Unternehmen nicht durch zusätzliche Regulierungen und Vorschriften ins Hintertreffen geraten. Laut dem niederländischen Thinktank Transnational Institute (TNI) plant die europäische Delegation sogar, sich gegen die weitere Finanzierung der Arbeitsgruppe im Verwaltungs- und Haushaltsausschuss der Generalversammlung auszusprechen. Damit steht die globale Diskussion zum Thema Wirtschaft und Menschenrechte an einem Wendepunkt: Spricht sich die EU als zwischenstaatlicher Verbund innerhalb der UN gegen die Implementierung rechtlich bindender Standards aus, dürfte die Umsetzung der Leitprinzipien in den Mitgliedsstaaten so zögerlich und wenig ambitioniert bleiben wie bisher.

Katja Philipps


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