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IATF-Bericht warnt vor Rückschritten bei der Finanzierung der Ziele für nachhaltige Entwicklung

Der neuste Bericht der Interinstitutionellen Arbeitsgruppe für Entwicklungsfinanzierung (IATF) zeigt die Schwierigkeiten der Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung aus finanzieller Sicht auf. Wo liegen die Ursachen für die Finanzlücke?

Eine Kamera zeigt zwei Frauen vor einer Wand mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung.
Die Hälfte des Zeitraums zur Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung ist bereits abgelaufen. (UN Photo/Cia Pak)

Die Folgen der COVID-19-Pandemie, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und der Zusammenbruch von Banken in den USA und in der Schweiz sind nur drei Faktoren, die nicht nur die Weltbevölkerung, sondern auch die globalen Finanzsysteme unter Druck setzen. Diese teilweise dramatische Verschärfung der weltweiten Marktunsicherheiten hat noch eine Folge: Hunger und Armut nehmen zu, die Fortschritte bei der Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) stehen auf dem Spiel. Darauf hat die Interinstitutionelle Arbeitsgruppe für Entwicklungsfinanzierung (Inter-Agency Task Force, IATF) in ihrem neuesten Bericht „Financing for Sustainable Development Report 2023“ ausführlich hingewiesen.

Düstere Prognosen

Die IATF besteht aus über 60 verschiedenen Organen, Programmen, Büros und Kommissionen innerhalb des UN-Systems. Sie wurde von Generalsekretär António Guterres in Folge der Aktionsagenda von Addis Abeba der dritten Internationalen Konferenz über Entwicklungsfinanzierung von 2015 eingesetzt. Die IATF soll die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung aus finanzieller Sicht begleiten und darüber Bericht erstatten.

Bereits vor zwei Jahren hatte die IATF vor einer Verschärfung globaler Ungleichheiten durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie gewarnt, die zu „einem verlorenen Jahrzehnt für die Entwicklung führen könnte“. Im Jahr 2022 scheinen die düsteren Prognosen eingetreten zu sein – befeuert durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine, einen der wichtigsten Weizen, Mais und Sonnenblumenöl-Lieferanten der Welt. Der Krieg in der Ukraine löste zeitweise eine globale Krise der Lebenshaltungskosten aus, als die meisten Staaten noch beschäftigt waren, sich von der Pandemie zu erholen.

Akute Versorgungsunterbrechungen trieben die Lebensmittel- und Energiepreise auf Rekordniveau und versetzten zusätzlich Millionen von Menschen in extreme Armut und Nahrungsunsicherheit. „Trotz einiger positiver Anzeichen sind die globalen makroökonomischen Aussichten sehr unsicher und besonders düster für viele der ärmsten und am meisten gefährdeten Länder, die mit einer wachsenden Schuldenlast und engen Haushaltszwängen konfrontiert sind“, heißt es in dem Report.

Wachsende globale Ungleichheiten

Die Bankenzusammenbrücke in den USA und der Schweiz hätten einmal mehr die Lücken in den Finanzregulierungs- und -aufsichtssystemen aufgezeigt. „Im heutigen äußerst schwierigen globalen makroökonomischen Kontext klaffen die Perspektiven für Finanzierung und nachhaltige Entwicklung noch deutlicher auseinander.“ Wenn sie nicht angegangen werden, wird die Kluft zwischen den Finanzen zu einer dauerhaften Kluft bei der nachhaltigen Entwicklung führen“, warnte der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE), der die Bundesregierung zu Nachhaltigkeitspolitik berät, schon vor einigen Monaten..

Während bei der Umsetzung der SDGs der Finanzierungsbedarf wächst, kann die Entwicklungsfinanzierung nicht Schritt halten. Auf diese Lücke haben internationale Finanzexpertinnen und -experten  bereits mehrfach hingewiesen. Während der Bedarf für internationale Unterstützung für gefährdete Länder steigt, verfestigt das niedrige Investitionsniveau, insbesondere in vielen Ländern des Globalen Südens, das Entwicklungsgefälle weiter. Der Bericht warnt davor, dass verzögerte Investitionen in eine nachhaltige Transformation nicht nur die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, sondern auch die Klimaziele unerreichbar machen würden.

Transformation der Wirtschaft

Nachhaltige und produktive Investitionen können heute die Volkswirtschaften transformieren und diversifizieren, wie auch das Institut der deutschen Wirtschaft bestätigt. Die Widerstandsfähigkeit beispielsweise gegenüber inflationären Schocks lässt sich dadurch deutlich verbessern. „Ein Aufschub von Investitionen in die Transformation ist daher keine Option“, heißt es in dem IATF-Bericht.

Dies gilt umso mehr, als schon im Vorjahresbericht dargelegt wurde, dass solche Investitionen die Fähigkeit zur nachhaltigen Schuldentilgung fördern. Der aktuelle Bericht der IATF konzentriert sich daher unter anderem auf einen Fahrplan für Regierungen, der auf das Funktionieren der globalen Finanzen abzielt. „Es sind sowohl nationale als auch internationale Maßnahmen erforderlich, um die Finanzierung der SDGs zu verbessern. Nationale und globale politische Rahmen gestalten Anreize, wirken sich auf Risiken aus und beeinflussen Finanzierungsbedarf und -ströme“, so die IATF.

Zwar trägt jeder Staat die Hauptverantwortung für seine eigene Entwicklung. Aber im Rahmen einer globalen Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung „ist die internationale Gemeinschaft beauftragt, ein förderliches internationales Umfeld und Unterstützung zu schaffen.“ Doch Nichtregierungsorganisationen riefen bereits 2019 einen weltweiten Notstand angesichts der fehlenden Unterstützung für die Umsetzung der SDGs aus.

Was der Bericht an Maßnahmen fordert

Der IATF-Bericht erkennt die Notwendigkeit von Reformen, die durch einen „raschen institutionellen Wandel“ bewirkt werden sollten. Die Autorinnen und Autoren fordern für die Finanzierung und immer noch rechtzeitige Verwirklichung der SDGs

  • den sofortigen Ausbau der Entwicklungszusammenarbeit und der Investitionen in die SDGs;
  • eine Stärkung der internationalen Finanzarchitektur;
  • nationale Maßnahmen zur Beschleunigung des nachhaltigen industriellen Wandels.

Ein günstiges Unternehmensumfeld sei nicht mehr ausreichend, erklärt der Bericht. Die Mitgliedsstaaten müssen ein nachhaltiges Unternehmensumfeld schaffen, das Investitionen in Infrastruktur, makroökonomische Stabilität und Anreize für nachhaltiges Verhalten anzieht. Zusätzlich sind universelle Sozialschutzsysteme, wie sie die Internationale Arbeitsorganisation (International Labour Organization - ILO) schon lange fordert, sowie die gezielte Unterstützung ländlicher Gebiete nötig.

Viele Geberländer der Weltbank, darunter auch Deutschland, fordern zudem eine Reformierung des Geschäftsmodells der Weltbank und ihrer Fördermechanismen. Diese UN-Sonderorganisation soll die wirtschaftliche Entwicklung der Mitgliedsländer fördern. Staaten können außerdem bei der Weltbankgruppe Darlehen oder zinslose, langfristige Kredite für Investitionen erhalten. Fest steht, dass: viele Entwicklungsländer Kapazitäten und finanzielle Unterstützung benötigen werden. Doch das könnte auch eine positive Entwicklung mit sich bringen: die längst überfällige Modernisierung der internationalen Finanzarchitektur.

Jörg Wild


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