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Historischer Beschluss oder Absichtserklärung? Der globale Pakt für Migration

Im Juli 2018 wurde der Entwurf des Globalen Paktes für eine sichere, geordnete und reguläre Migration veröffentlicht. Der Pakt wird das erste Abkommen zur internationalen Migration, das alle Dimensionen abdecken soll, einschließlich humanitäre, Entwicklungs- und Menschenrechtsaspekte. Unterzeichnet wird der Pakt voraussichtlich im Dezember 2018 in Marokko von allen UN-Mitgliedstaaten bis auf die USA, Ungarn und Australien. Im derzeitigen politischen Klima setzt die Verabschiedung eines Beschlusses dieser Art ein wichtiges Zeichen gegen jene, die seit geraumer Zeit das Ende des Multilateralismus voraussagen.

Verhandlungen in New York

Im September 2016 wurde mit der New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten beschlossen, dass die Generalversammlung einen Migrationspakt entwerfen soll. Die Verhandlungen haben im darauffolgenden April 2017 begonnen. Seit dem wird der globale Pakt für Flüchtlinge in separaten Gesprächen verhandelt. Die Differenzierung zwischen Migration und Flucht in den Verhandlungen ist dabei eine wichtige Methode, um sicherzustellen, dass angemessene Maßnahmen für die jeweilige Gruppe getroffen werden.

Der GCM formuliert eine grundsätzliche, völkerrechtlich nicht verbindliche Leitlinie und geht im Detail auf 23 Maßnahmen mit weiteren Unterpunkten ein, die künftig von allen Mitgliedstaaten umgesetzt werden sollen. Diese sind unterschiedlich in ihrer Ausgestaltung und beschreiben Teilaspekte, Handlungsempfehlungen und Kontrollen der Umsetzung. Bei den Verhandlungen waren auch zahlreiche Expertinnen und Experten beratend an der Erstellung des Entwurfs beteiligt, um die Schwierigkeiten und Missstände, denen Migrantinnen und Migranten weltweit ausgesetzt sind, einzubeziehen. Die Verhandlungen, angeleitet von den Botschaftern Juan José Gómez Camacho aus Mexiko und Jürg Lauber aus der Schweiz, liefen knapp eineinhalb Jahre. Dabei einigten sich die UN-Mitgliedstaaten auf zahlreiche Kompromisse, um zu einer Einigung zu finden.

Rückzug der USA, Ungarns und Australiens

Lediglich die USA zogen sich bereits nach wenigen Monaten aus den Verhandlungen zurück. Der damalige Außenminister Rex Tillerson erklärte, dass eine Vereinbarung dieser Art die Souveränität seines Staates untergraben würde. Zudem könnten bestimmte Maßnahmen nicht mit der eigenen Einwanderungspolitik unter US-Präsident Donald Trump in Einklang gebracht werden. Aus ähnlichen Gründen beschloss später auch die ungarische Regierung am 18. Juli 2018, den Migrationspakt im Dezember nicht zu unterzeichnen und auch an den weiteren Gesprächen nicht weiter teilzunehmen. Nur wenige Tage später hat der für die Einwanderung zuständige australische Minister Peter Dutton von der konservativen Liberal Party verlauten lassen, dass auch Australien den Beschluss in seiner aktuellen Beschaffenheit nicht unterzeichnen würde. Es sei nicht im nationalen Interesse Australiens, die Grenzschutzpolitik dem Staatenverbund der Vereinten Nationen zu überlassen. Dieser Entschluss ist vor allem mit der anhaltenden Kritik der Vereinten Nationen an der Inhfatierung von geflüchteten Menschen durch Australien auf den pazifischen Inseln Manus und Nauru zu begründen. Der GCM nennt die Inhaftierung von Menschen nur als letzte Option und fordert eine Überprüfung der jeweiligen Gesetzgebung der mitzeichnenden Staaten.

Bewertungen des Verhandlungsergebnisses

Organisationen und Zusammenschlüsse von Staaten, die an den Verhandlungen teilnehmen, loben das Ergebnis und die Bemühungen der Teilnehmenden. Sie führen aber auch Kritikpunkte an. In ihrer abschließenden Stellungnahme betont die Delegation der Europäischen Union, dass der Pakt nicht perfekt sei und wichtige Aspekte fehlten. Jedoch sei die Einigung von 191 UN-Mitgliedstaaten auf einen auf die Zukunft gerichteten und umfassenden "360-Grad-Ansatz", der alle Dimensionen der Migration berücksichtige, ein signifikanter Schritt. Ähnlich äußerte sich eine Gruppe von 19 gleichgesinnten Staaten aus Lateinamerika und Asien sowie Liechtenstein und der Schweiz. Der GCM biete den bestmöglichen Kompromiss für ein aussagekräftiges, multilaterales Dokument.

Die afrikanische Gruppe unterstützt die Einigung zwar ebenso, kritisiert allen voran jedoch die Betonung der nicht-bindenden Natur der Vereinbarung. Diese Tatsache könne als Einladung zu mangelnder Umsetzung wahrgenommen werden. Zudem wurde neben weiteren Punkten auch die Forderung, Einrichtungen zu verbieten, die de-facto Haftanstalten für Migrantinnen und Migranten sind, nicht angenommen. Diese Anstalten stellen jedoch schwerwiegende Verletzungen der Menschenrechte dar. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (United Nations Children’s Fund – UNICEF) in Deutschland begrüßt dennoch die vielen Bemühungen, die Rechte von Kindern und den Vorrang des Kindeswohl zu fördern. Der Rat der Globalen Gewerkschaften (Council of Global Unions) bemängelt die Unterscheidung zwischen regulärer und irregulärer Migration und dass der GCM internationalen Menschenrechtsabkommen und Beschäftigungsstandards widerspreche.

In den Verhandlungen waren auch zivilgesellschaftliche Organisationen wie Terre des Hommes, OXFAM International und kirchliche Verbände beratend tätig. In der gemeinsamen abschließenden Stellungnahme von 55 internationalen Organisationen loben sie einerseits die Errungenschaften der Verhandlungen. Andererseits kritisieren sie jedoch, dass nicht ausdrücklich auf die Entkriminalisierung von Migrantinnen und Migranten und ihre Unterstützerinnen und Unterstützer gewirkt wurde sowie auf volle Arbeitnehmerrechte und soziale und monetäre Basisleistungen für Migrantinnen und Migranten.

Chancen des GCM

Was kann der GCM nun für die Zukunft bedeuten? Manche Fachleute sehen keinen Nutzen in einem völkerrechtlich nicht-verbindlichen Pakt. Noch während der Verhandlungen, welche die Inhaftierung von Migrierenden drastisch einschränken und die Menschenrechte dieser stärken sollten, wurde in der europäischen Politik von der Einrichtung von sogenannten Transitzentren und einem verstärkten „Schutz der Außengrenze“ der Europäischen Union gesprochen. Wenige Wochen nach Beschluss des Vertragsentwurfs überlegt mit Australien bereits der dritte Staat, aus dem GCM auszusteigen. Nichtsdestotrotz, auch eine nicht-bindende Vereinbarung hat Vorteile, wenn man auf die mühsame Gestaltung von anderen, verpflichtenden Verträgen in den Vereinten Nationen blickt. Im Vergleich dazu konnten im Falle des GCM in nur eineinhalb Jahren große Fortschritte erzielt werden.

In den vergangenen Jahren tendieren vielen Regionen weltweit zu einer Abschottungspolitik und einem nationalistischem Handeln. Die internationalen Auswirkungen von Migration und Flucht können jedoch nicht im Alleingang gesteuert werden. Um sicherzustellen, dass eine sichere Migration möglich wird, muss die internationale Gemeinschaft zusammenarbeiten. Dies hat der GCM in einem ersten Schritt durch multilaterale Verhandlungen und die Bereitschaft unter den beteiligten Staaten Kompromissen einzugehen gezeigt und hat damit auch ein Zeichen für Multilateralismus gesetzt.

Die Einigung fast aller Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen auf bestimmte Normen und Rechte in Bezug auf Migration wurde durch den GCM ermöglicht. Dies hebt die Bedeutung der Staatengemeinschaft hervor, der oft mangelnde Effizienz vorgeworfen wird. Der GCM steht wie auch die Vereinten Nationen für gemeinsame Normen und Werte und sie bilden eine Plattform, auf deren Basis ein Austausch und Fortschritt durch Dialog ermöglicht wird.

Messo Ghirmai

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