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Gewaltbereiter Extremismus als Herausforderung der Friedenssicherung

Friedenssicherung dient der Schaffung von Frieden, dem Aufbau einer stabilen Ordnung nach Konflikten und dem Schutz der Zivilbevölkerung. In den letzten Jahren wurde diese Arbeit jedoch zunehmend durch gewaltsame Übergriffe extremistischer und krimineller Gruppen auf UN-Friedensmissionen erschwert.

Peacekeeper begutachten den Ort eine Anschlages in Mali bei dem sechs ihrer Kollegen getötet wurden.
Peacekeeper begutachten den Ort eine Anschlages in Mali, bei dem sechs ihrer Kollegen getötet wurden. (UN Photo/Marco Dormino)

In der mehr als 70-jährigen Geschichte der Vereinten Nationen wurde das Konzept der Friedenssicherung kontinuierlich weiterentwickelt. Aus dem Sekretariat der Vereinten Nationen geplante Missionen sind dabei das häufigste Mittel zur Durchsetzung und Konsolidierung von Frieden im Einsatzland. Insgesamt hat es seit Gründung der Vereinten Nationen 71 solcher Missionen gegeben, 16 Friedensmissionen mit 118.792 Personen im Einsatz laufen aktuell fort. Rund zwei Drittel der Blauhelme arbeiten in risikoreichen Gebieten. Während die Missionen meist die Aufgabe haben, die Zivilbevölkerung in der Konfliktregion zu schützen, werden die Missionen in den letzten Jahren immer häufiger selbst Opfer von gewalttätigen Organisationen und bewaffneten Extremisten. Dies verdeutlicht neben Beispielen aus Somalia und Sudan besonders die Mission in Mali.
 

Beispiel der MINUSMA Mission in Mali

Nach einem Putsch bewaffneter Gruppierungen gegen die Regierung und einem sich anschließenden Bürgerkrieg im Jahr 2012 trägt die United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali (MINUSMA) seit April 2013 zur Stabilisierung des afrikanischen Landes bei. Die multidimensionale Mission verbindet militärische, polizeiliche und zivile Komponenten, um die Stabilisierung ganzheitlich umzusetzen und politische Prozesse zur Friedensschaffung und -wahrung umzusetzen. So sind in Mali aktuell rund 11.880 Kräfte in Uniform (Militär und Polizei) sowie rund 1250 zivile Experten im Einsatz. Auch der Deutsche Bundestag hat die Beteiligung von bis zu 650 Bundeswehrsoldaten an der Mission beschlossen.

Allerdings gilt die MINUSMA derzeit als die gefährlichste Friedensmission der Vereinten Nationen: Nachdem 2015 ein Friedens- und Versöhnungsabkommen von den bewaffneten Gruppierungen und der Regierung unterschrieben wurde, mehrten sich asymmetrische Angriffe auf Blauhelme und Zivilisten. Häufig wurde von extremistischen Gruppierungen auf Selbstmordattentate oder Sprengkörper zurückgegriffen, um Militär-Basen, Checkpoints und Konvois der Mission während mehrerer dutzender Attacken gezielt anzugreifen. Bei den Vorkommnissen sind seit Beginn der Mission rund 80 Blauhelme sowie zivile Experten im Einsatz ums Leben gekommen, davon 32 allein in diesem Jahr. 2016 war somit das gefährlichste Jahr für die Stabilisierungsmission in Mali, und die MINUSMA ist in diesem Jahr die UN-Mission mit den meisten Todesopfern auf Seiten der Einsatzkräfte.

Angriffe auf Personal der UN-Missionen stellen Kriegsverbrechen dar. Die Zunahme von Anschlägen, die durch islamistische Extremisten verübt werden, ist beunruhigend. Die Bedrohung ist transnational, da die Gruppen von Extremisten aus Libyen, Algerien und dschihadistischen Milizen aus der Region unterstützt werden. Die Vereinten Nationen müssen sich daher intensiv mit der Problematik befassen.
 

Auseinandersetzung der Vereinten Nationen mit gewaltbereitem Extremismus

Im vergangenen Jahr haben sich die Vereinten Nationen auf vielfältige Art und Weise mit dem Problem des gewaltbereiten Extremismus auseinandergesetzt. In seinem Bericht über die Arbeit der Vereinten Nationen von Juli 2015 wies Generalsekretär Ban Ki-moon deutlich auf die Gefahren hin, die von extremistischen Gruppierungen in Westafrika und dem Mittleren Osten ausgehen. Man müsse sich deshalb genauer mit den Ursachen von gewaltbereitem Extremismus auseinandersetzen. Radikalisierung und Entfremdung werde etwa durch die Nichteinhaltung von Menschenrechten, Korruption, Repressionen oder Diskriminierung begünstigt. Er betonte auch das Risiko für UN-Personal, welches von den Angriffen auf UN-Missionen ausgeht. Asymmetrische Bedrohungen würden besondere Herausforderungen für Durchführung und Ausstattung der Missionen darstellen.

Im Dezember 2015 veröffentlichte Ban Ki-moon einen umfassenden Aktionsplan zur Verhütung von gewaltbereitem Extremismus. Der Aktionsplan wurde in einem umfangreichen interinstitutionellen Prozess entwickelt und durch die ad-hoc Arbeitsgruppe zur Verhütung von gewaltbereitem Extremismus der CTITF (Counter-Terrorism Implementation Task Force der Vereinten Nationen) begleitet. Darin wird bekräftigt, dass sich gewaltbereiter Extremismus zu Terrorismus weiterentwickeln könne und somit die Anstrengungen der Vereinten Nationen zur Wahrung von Frieden und Sicherheit, nachhaltiger Entwicklung, dem Schutz von Menschenrechten und der Förderung von Rechtsstaatlichkeit unterminiert würden. Außerdem unterstreicht der Aktionsplan, dass die Verhütung von gewaltbereitem Extremismus in die Aktivitäten von UN-Friedensmissionen integriert werden müsse und der Aufbau von Kapazitäten in den UN-Mitgliedsstaaten in gemeinsamer Anstrengung mit regionalen UN-Büros ausgebaut werden müsse. Vor diesem Hintergrund wurde im April 2016 eine internationale Konferenz in Genf abgehalten, um Erfahrungen bei der Verhütung von gewaltbereitem Extremismus auf globaler, nationaler und regionaler Ebene auszutauschen.

Die Vereinten Nationen haben sich somit eingehend mit den Herausforderungen, die von gewaltbereitem Extremismus ausgehen, auseinandergesetzt. Sie betonen besonders gesellschaftliche Ursachen für die Entstehung von extremistischen Gruppierungen und adressieren daher neben Themen der Sicherheit auch die Wichtigkeit von Bildung, Beschäftigung, guter Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit für die Verhütung von gewaltbereitem Extremismus.

Welche neuen Anforderungen ergeben sich daraus für Mandate, Ausstattung und Durchführung von Friedensmissionen?
 

Neue Anforderungen an Friedensmissionen

Damit Friedensmissionen ihre Ziele auch in Zukunft effektiv und zielgerichtet umsetzen können, müssen sie dem veränderten Sicherheitsumfeld angepasst werden. Die Zunahme von Bürgerkriegen, gewaltbereitem Extremismus und auch terroristischen Anschlägen stellt Friedenseinsätze vor neue Herausforderungen.

Um die Ursachen von gewaltbereitem Extremismus zu erkennen, benötigen die Vereinten Nationen ein ausgefeiltes Frühwarnsystem. Sie müssen verbesserten Zugang zu sicherheitsrelevanten Informationen erhalten, um nicht nur Krisenprävention zu leisten, sondern auch das Personal im Einsatz in Friedensmissionen schützen zu können. Insgesamt werden Friedensmissionen robuster geplant werden müssen, um auf veränderte Herausforderungen durch asymmetrische Angriffe und extremistische Anschläge antworten zu können. Auch die technische Ausstattung vieler Missionen kann verbessert werden, der Rückgriff auf neue Technologien erleichtert Aufgaben der Überwachung und Sicherung enorm. So sind beispielsweise in der MINUSMA-Mission in Mali Aufklärungsdrohnen im Einsatz.

Die Vereinten Nationen sollten klare Definitionen von „gewaltbereitem Extremismus“ in Abgrenzung von „Terrorismus“ erarbeiten und die Rolle von Friedensmissionen bei der Verhütung von Extremismus und der Bekämpfung von Terrorismus spezifizieren.

Um den Erfolg von Friedensmissionen zu gewährleisten, sollten die Vereinten Nationen auch eng mit Partnern wie regionalen Organisationen zusammenarbeiten. So können best practices und Erfahrungswerte ausgetauscht werden und wichtige Informationen zur Krisenprävention untereinander geteilt werden. Gleichzeitig sollte die Umsetzung der Ziele von Friedensmissionen immer auch in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, insbesondere Frauen und Jugendlichen, erfolgen. Wenn Friedensprozesse inklusiv und partizipativ gestaltet werden, ist das Risiko von Ausgrenzung oder Radikalisierung einzelner Gruppen geringer. Werden die Ursachen für gewaltbereiten Extremismus strukturell adressiert, ist der Erfolg der Missionen wahrscheinlicher. 
 

Inger-Luise Heilmann


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