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Die freiwilligen Selbstverpflichtungen des Pariser Klimavertrags

Vor knapp zwei Jahren verabschiedete die Klimakonferenz in Paris ein neues Klimaabkommen. Wenige Wochen vor dem Klimagipfel in Bonn (COP 23) lohnt es sich, noch einmal einen Blick auf die wesentlichen Artikel des Paris-Abkommens zu werfen. Zu den Kernelementen des Abkommens gehört die Verpflichtung, dass alle Mitgliedsstaaten selbstständig national festgelegte Beitrage zur Reduzierung ihrer klimaschädlichen Emmissionen erarbeiten und veröffentlichen müssen. Was sind die Vor- und Nachteile dieses "bottom-up"-Ansatzes? Wie weitgehend sind diese nationalen Beiträge bisher?

© UN Photo/Rick Bajornas
(UN Photo/Rick Bajornas)

Das Pariser Klimaabkommen: Fundament des Nationally Determined Contributions (NDCs)

Vor knapp zwei Jahren konnten sich die Staaten der Welt bei der Klimakonferenz (COP21) in Paris auf ein neues Klimaabkommen verständigen, in welchem sie verbindliche Elemente des Klimaschutzes völkerrechtlich verankert haben. Wenige Wochen vor dem Weltklimagipfel in Bonn (COP 23), unter der Präsidentschaft Fidschi, ist der Zeitpunkt gut, die wesentlichsten Artikel des Paris-Abkommens noch einmal zu durchleuchten. Für den globalen Klimaschutz sind die Artikel 2, 4.2 und 4.3 von besonderer Bedeutung. Um den globalen Temperaturanstieg bis Ende des Jahrhunderts auf deutlich unter 2°C und wenn möglich auf unter 1.5°C zu begrenzen (Artikel 2.1a), ist im Artikel 4.2 erstmals festgelegt worden, dass dazu alle Mitgliedsstaaten national festgelegte Beitrage ausarbeiten, kommunizieren und veröffentlichen sollen.

Dieser „bottom-up“ Ansatz bedeutet, dass jedes Land ohne Vorgaben der UN den Umfang seiner Klimaschutzprioritäten und -ambitionen selbstständig festlegen darf. Dies soll die Staaten dazu animieren den Klimaschutz eigenverantwortlich im Rahmen ihrer Möglichkeiten voranzutreiben. Die Staaten haben sich dazu verpflichtet, diese sogenannten NDCs (Nationally Determined Contributions) auf nationaler Ebene zu entwickeln und beim Sekretariat der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) einzureichen. Die Industrienationen haben sich zusätlich dazu verpflichtet Entwicklungsländer bei der Umsetzung ihrer NDCs zu unterstützen. Die bereits eingereichten NDCs sind auf der Webseite des UN-Klimasekretariats einsehbar.

Bereits im Vorfeld der COP 21 waren die Staaten aufgefordert gewesen, vorläufige geplante national festgelegten Klimaschutzbeiträge (INDC: Intended National Determined Contributions) beim UN-Klimasekretariat vorzulegen. Diese zuvor veröffentlichten INDCs werden noch vor dem Beginn des ersten NDC-Zyklus  automatisch zu NDCs, sofern dies nicht anders von den jeweiligen Staaten kommuniziert wird. Schon in Paris wurde deutlich, dass die NDCs, die erst 2020 in Kraft treten werden, in heutiger Ausführung nicht ausreichen, um die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C gegenüber vorindustriellen Werten zu reduzieren.

Die Abbildung ist mit freundlicher Genehmigung aus dem Climate Action Tracker entnommen.
(Abbildung: Climate Action Tracker)

Die NDCs genauer betrachtet

Die Implementierung der aktuellen NDCs wird bis Ende des 21. Jahrhunderts zu einem mittleren globalen Temperaturanstieg von 2.5-2.8°C führen. Somit verfehlen sie deutlich die selbst gesetzten Ziele der Vereinten Nation. Einem Scheitern der globalen Klimaziele sollen Artikel 4.3, 4.4 und 4.9 entgegenwirken. Hierhin ist festgelegt, dass sich die einzelnen Länder in einem progressiven Zyklus alle fünf Jahre dazu verpflichten, im Rahmen einer globalen Bestandsaufnahme, immer stringentere und ambitioniertere NDCs den Vereinten Nationen vorzulegen und umzusetzen. Eine erste globale Bestandsaufnahme der NDC ist für 2018 vereinbart. „Wissenschaftlich lassen sich jedoch zukünftige Maßnahmen nicht bewerten, da man nicht weiß, wie diese aussehen werden“, gibt Hanna Fekete vom NewClimate Institute in Köln zu bedenken. So bleibt schlichtweg festzuhalten, dass die Mitgliedsstaaten der Weltgemeinschaft ihre Stellschrauben noch deutlich anziehen und nachjustieren müssen, um die katastrophalen Folgen eines ungebremsten bzw. nur mässig gebremsten Klimawandels noch frühzeitig abzuwenden. Und das Zeitfenster welches dafür einen Handlungsspielraum bietet, ist dabei, sich zu schließen.

Dennoch hat die COP 21 mit der Verabschiedung des Paris-Abkommens einen Prozess in Gang gesetzt, der durch seine Eigendynamik kaum mehr aufzuhalten ist. Mit der Einführung der NDCs haben die Vereinten Nationen ein vielversprechendes Instrument erschaffen.  Der selbstverstärkende NDC-Zyklus soll massgeblich dazu führen, dass die Pariser Ziele erreicht werden. Zumindest in der Theorie, denn in der Praxis fehlen noch die Erfahrungen. So gibt es einige offene Fragen: Wie kann beispielsweise die Umsetzung der NDCs messbar gemacht werden? Oder wie kann man die einzelnen NDCs sogar miteinander vergleichen? Auf diese Fragen gibt es bis jetzt noch keine endgültigen Antworten. Deshalb bleibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt folgendes festzuhalten:

  • Verschiedene Länder beziehen sich auf unterschiedliche Basisjahre  die sie als Grundlage Ihrer Reduktionsziele heranziehen.  So beziehen sich beispielsweise Kanada, Australien  und Brasilien auf das Basisjahr 2005. Während sich die EU Länder auf das Basisjahr 1990 beziehen.
  • Eine Vielzahl von Ländern formulieren keine absoluten Mindestreduktionsziele. Diese differenzieren sich erneut in der:
    - Formulierung eines prozentualen Reduktionsziels gegenüber einem BAU-Szenario, ohne dabei weitere Klimaschutzmaßnahmen zu integrieren (beispielsweise: Vereinigte Arabischen Emirate).
    - Formulierung ihres Reduktionsziels in Abhängigkeit vom Wachstum des Bruttoinlandprodukt.
    Nennung eines bestimmten Zeitraums, zu dem die Emissionen nicht weiter steigen sollen. Diese Zielformulierungen werden als „Peaking Targets“ bezeichnet. Darüber hinaus treffen diese Staaten keine Aussage darüber, wie hoch die Emissionen bis dahin ansteigen werden (beispielsweise: Pakistan und Südafrika).
    - Formulierung der Reduktionsziele in Abhängigkeit zur internationalen Unterstützung unter Gesichtspunkten von: Klimafinanzierung (beispielsweise Ägypten Afghanistan, Moldavien),  Capacity Buliding (beispielsweise: Indien, Indonesien, Kenia) und Technologie-Transfer (beispielsweise Brasilien, Bolivien, Mongolei).

Eine gute Übersicht hierzu bietet der NDC Explorer des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) und Partner. Es wird deutlich dass die Fülle der unterschiedlichen Reduktionsziele eine Vergleichbarkeit zwischen den Ländern nicht vereinfacht. Um dem entgegenzuwirken, arbeiten die Länder im Rahmen der Klimaverhandlungen unter anderem auch daran, eine Art Regelbuch zu den NDCs zu entwickeln, das einen Leitfaden zur besseren Überprüfbarkeit und Vergleichbarkeit der NDCs bieten könnte. Dieses Regelbuch soll schließlich 2018 auf der COP24 in Warschau verabschiedet werden.

„The world must act now!”

Ein weiteres Ziel ist es, die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs)in die NDCs, zur Erschaffung einer nachhaltigeren Weltgesellschaft, zu integrieren.  Die enge Verflechtung beider Agenden lässt sich daran erkennen, dass einzelne  Länder in Ihren NDC schon freiwillig Bezug zu den SDGs oder zu mit diesen verbundenen Themen nehmen.

Aus der NDC-Analyse kann abgeleitet werden, dass die europäischen Staaten, mit dem Basisjahr 1990, eine sehr ambitionierte Klimapolitik repräsentieren. Nicht zuletzt profitiert diese Politik auch durch den sozioökonomischen Umbruch der osteuropäischen Staaten. Damit besetzt Europa innen- und aussenpolitisch im globalen Klimaschutz eine Vorreiterrolle und sendet, durch seine NDCs, ein klares Signal in die Welt. Da der NDC-Implementierungsprozess dynamisch ist, ist es vielleicht noch zu früh, die NDCs der Einzelstaaten miteinander zu vergleichen. Unabhängig davon steht fest, dass die Zeit des Handelns jetzt gekommen ist. Um es mit den Worten des ehemaligen UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon zu formulieren: „The world must act now!" Dies gilt sowohl für alle politischen Akteure der Vereinten Nationen als auch für die globalen Akteure der Privatwirtschaft. Die NDCs sind dafür die geeigneten Instrumente.

 

Jan Tolzmann