Menü

Interview mit Carolyn McAskie

„Wenn die Gelder nicht erhöht werden, werden wir nichts erreichen.“

Interview mit Carolyn McAskie*, Beigeordnete Generalsekretärin für die Unterstützung der Friedenskonsolidierung

New York, 7. Juni 2007

Frage: Frau McAskie, die Kommission für Friedenskonsolidierung1 (Peacebuilding Commission – PBC) wurde im Dezember 2005 eingerichtet …

McAskie: Die Resolution2 wurde im Dezember 2005 verabschiedet. Aber es dauerte sechs weitere Monate bis die Mitglieder feststanden. Am 23. Juni 2006 wurde die Kommission gegründet und das erste Treffen des Organisationsausschusses abgehalten.

Die Kommission besteht also jetzt fast genau ein Jahr. Was wurde in diesem einen Jahr erreicht?

McAskie: Die Kommission ist eingerichtet worden, um sich einzelnen Ländern anzunehmen, in denen nach einem Konflikt der Frieden konsolidiert werden soll. Auf ihrem ersten Treffen wurde die PBC vom Sicherheitsrat zu Burundi und Sierra Leone um Rat gebeten. In dem zurückliegenden Jahr hat sie sich auf Grundlage ihres Mandats aus Resolution 1645 mit diesen beiden Ländern beschäftigt. Laut Mandat ist die Hauptaufgabe der Kommission, einen integrierten Ansatz zur Friedenskonsolidierung auszuarbeiten. Das hat sie bisher getan.

Wurde bereits eine Strategie verabschiedet?

McAskie: Die Strategie für Burundi wird im Juni abgeschlossen sein.3 Aber mit einer Strategie für Sierra Leone ist die PBC noch nicht so weit. Nicht, weil sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht hätte, sondern weil in Sierra Leone im August 2007 Wahlen stattfinden werden. Sie hat sich daher ganz bewusst dafür entschieden, die Strategie erst nach den Wahlen abzuschließen.

Warum gerade diese beiden Länder?

McAskie: Weil sie darum gebeten haben. Die Länder müssen selber anfragen. Man kann niemanden dazu zwingen. Das ist die einfache Antwort. Aus meiner Sicht waren diese Länder jedoch auch sehr gute Kandidaten für einen ersten Durchlauf einer Friedenskonsolidierungsstrategie.

Warum?

McAskie: Erstens, in beiden Ländern haben Friedenssicherungsmissionen stattgefunden, obwohl ich nicht glaube, dass die Friedenskonsolidierung immer erst nach der Friedenssicherung kommt. Friedenskonsolidierung kann viel früher beginnen. Aber in diesen Fällen war es so, dass in beiden Ländern Friedensmissionen gewesen waren und beide einer äußerst ungewissen Zukunft entgegensahen, insbesondere was die wirtschaftliche Situation betrifft. Die Idee der Kommission ist daher sicherzustellen, dass die internationale Gemeinschaft diese Länder nicht aus dem Blick verliert, sondern sich langfristig und nachhaltig um sie kümmert, damit sie den eingeschlagenen Weg fortsetzen können. Beide Länder waren übrigens zu einem Zeitpunkt vor oder während der Konflikte vergessene Krisen.

In welcher Hinsicht vergessen?

McAskie: In der Hinsicht, dass keines der beiden Länder besonders viel Entwicklungshilfe erhalten hat. Sie wurden von der internationalen Gebergemeinschaft vergessen. Beide sehen sich jedoch enormen Herausforderungen gegenüber, bei dem Versuch, den Erwartungen ihrer Bevölkerungen in einer Nachkriegssituation gerecht zu werden. Und in beiden Gesellschaften gab es gewisse Bruchlinien, die das Potenzial hatten, das Land wieder in eine Krise zurückfallen zu lassen. Für die Kommission stellten sie daher Länder dar, bei denen man die Akteure und damit auch die Probleme einfacher identifizieren konnte – einfacher jedenfalls als bei Ländern wie Sudan oder der Demokratischen Republik Kongo, deren Krisen vielschichtiger sind.

Beide Länder waren also in einem gewissen Sinne ‚einfache’ Fälle für die PBC?

McAskie: Nein, nicht unbedingt. Ich sage nicht, dass die Lage in Burundi und in Sierra Leone einfach wäre. Wenn dem so wäre, wären wir nicht dort, wo wir heute sind. Aber die Situationen sind insofern handhabbar, als dass man Ansprechpartner hat, mit denen man zusammenarbeiten kann. Daher stellen diese beiden Länder moderate Herausforderungen für die Kommission dar, denen sie hoffentlich gewachsen sein wird. Meine feste Überzeugung – und auch die der meisten Mitglieder der Kommission – ist, dass die PBC sich nicht in Krisen engagieren sollte, die bereits in einem hohen Maße internationale Aufmerksamkeit erhalten.

Warum nicht?

McAskie: Was kann die Kommission in Irak und Afghanistan oder im Nahen Osten noch bewirken? Wenn die gesamte extrem konzertierte internationale Aufmerksamkeit, die diesen Krisen zuteil wird, nicht zu einer Lösung führt, dann wird die Kommission auch nicht viel bewirken können. Der Mehrwert der PBC liegt in der Unterstützung der kleineren Länder, die andernfalls von der internationalen Agenda verschwinden.

Inwiefern engagieren sich die Geber und die internationalen Finanzinstitutionen (IFIs)?

McAskie: Sie sind Mitglieder der Kommission. Der Hauptzweck der PBC ist ja, die relevanten Akteure zusammenzubringen. Entweder sind die Geber oder die IFIs Mitglieder der Kommission oder, falls nicht, – nicht alle Geber können gleichzeitig Mitglied der Kommission sein – können sie einem länderspezifischen Ausschuss angehören.

Ein sehr gutes Beispiel dafür ist Belgien. Belgien war Mitglied der Kommission als diese ihre Arbeit aufnahm. Doch seine Amtszeit lief aus. Die PBC hatte dann aber beschlossen, dass Belgien Mitglied des länderspezifischen Ausschusses für Burundi bleiben soll.

Was war der Grund dafür?

McAskie: Man kann einfach nicht über Burundi sprechen, ohne Belgien einzubeziehen. Es ist das wichtigste Partnerland. Ähnliches gilt für Tansania. Tansanias Amtszeit in der PBC lief Ende 2006 aus, weil es als Mitglied des Sicherheitsrats Mitglied der Kommission geworden war. Als seine Amtszeit im Sicherheitsrat auslief, endete damit auch automatisch die Mitgliedschaft in der PBC. Tansania war aber der entscheidende Akteur im Burundi-Friedensprozess. Also bleibt Tansania Mitglied des länderspezifischen Ausschusses zu Burundi.

Sie leiten auch das Büro für die Unterstützung der Friedenskonsolidierung im Sekretariat. Welche Aufgaben hat das Büro im Vergleich zur Kommission?

McAskie: Das Unterstützungsbüro hat den grundlegenden strategischen Ansatz für die Arbeit der Kommission entwickelt. Aber die PBC hat darüber befunden, diesen Weg zu gehen. Dann haben wir die Verfahren ausgearbeitet, und wir arbeiten mit den Kollegen vor Ort zusammen, um die Strategien zu entwickeln, die der Kommission vorgelegt werden.

Die Mitglieder der PBC, die den Vorsitz innehaben, engagieren sich sehr. Ob es die Niederlande für den Burundi-Ausschuss und Norwegen für den Sierra-Leone-Ausschuss sind oder Angola für die Kommission beziehungsweise El Salvador als stellvertretender Vorsitz der Kommission – alle vier Länder bringen sich in einem hohe Maße in die tägliche Arbeit ein. Die anderen Mitglieder beteiligen sich mehr über ihre Vertreter vor Ort. Der Prozess zum Beispiel, eine Strategie für Burundi und Sierra Leone auszuarbeiten, wird durch einen gemeinsamen Lenkungsausschuss umgesetzt. Den Vorsitz dieses Ausschusses teilen sich die UN und die Regierung des jeweiligen Landes, aber es nehmen auch Vertreter der Geber, der Zivilgesellschaft und der IFIs teil.

Mit wie viel Personal ist das Unterstützungsbüro ausgestattet?

McAskie: Das Büro ist sehr klein, weil wir sozusagen nur die strategische Zelle sind, die die Unterstützung auf Sekretariatsseite sicherstellt. Wir müssen die Berichte erstellen, aber wir schreiben sie nicht notwendigerweise alle selbst. Wir bereiten die Treffen vor, und wir kümmern uns um die Logistik. Das Büro ist auch dafür zuständig, die Verhandlungen mit den verschiedenen UN-Abteilungen zu führen, um sicherzustellen, dass das UN-System gleichermaßen von den Beschlüssen der PBC in Kenntnis gesetzt wird. Es ist ein sehr kleines Büro mit 15 bis 20 Mitarbeitern, wenn es vollständig eingerichtet ist.

Wie sieht es mit der Finanzierung aus? Für den Friedenskonsolidierungsfonds sind 250 Millionen US-Dollar vorgesehen. Ist das Geld bereits da?

McAskie: Man muss vorsichtig sein, wie man den Fonds bezeichnet. Der Fonds untersteht dem Generalsekretär. Er wird die Gelder anfangs für die Länder einsetzen, die von der PBC behandelt werden. Aber er wird sie auch für andere Länder in Nachkriegssituationen einsetzen. Was die 250-Millionen-Zielvorgabe angeht: wir haben bislang Zusagen für 220 Millionen US-Dollar. Einen Teil davon haben wir bereits für Burundi und Sierra Leone ausgegeben, und wir sehen uns andere Länder an, die keine PBC-Länder sind.

Aber auf eine Sache möchte ich besonders hinweisen, weil es mir wichtig erscheint: Die Finanzierung von Friedenskonsolidierung geht weit über das hinaus, was dieser Fonds leisten kann. 250 Millionen mag nach viel klingen, ist es aber nicht, wenn man es im Verhältnis sieht. Das Geld reicht nur für eine Anschubfinanzierung, als Startgeld, das den Partnern vor Ort dabei hilft, die Dinge ins Laufen zu bringen. Doch das eigentliche Geld muss aus anderen Bereichen des Systems kommen, von den Gebern. Wenn die Gelder nicht erhöht werden, werden wir nichts erreichen.

Frau McAskie, ich danke für dieses Gespräch.

McAskie: Ich danke auch.

Das Gespräch in englischer Sprache fand am 7. Juni 2007 in New York statt. Die Fragen stellte Anja Papenfuß, Chefredakteurin der Zeitschrift VEREINTE NATIONEN.

The interview in English here

*Carolyn McAskie wurde im Mai 2006 zur Beigeordneten Generalsekretärin für die Unterstützung der Friedenskonsolidierung und Leiterin des Büros zur Unterstützung der Friedenskonsolidierung ernannt. Zuvor war sie von Juni 2004 an Sonderbeauftragte des Generalsekretärs und Leiterin der UN-Friedensmission in Burundi (ONUB).

Sie gehörte dem so genannten Team von Fazilitatoren für den Burundi-Friedensprozess in Arusha im Jahr 1999 an und war Humanitäre Gesandte des Generalsekretärs für die Krise in Côte d’Ivoire im Jahr 2003. Von 1999 bis 2004 war sie Stellvertretende Nothilfekoordinatorin und zeitweise Nothilfekoordinatorin (1999 bis Januar 2001).

Bevor sie für die Vereinten Nationen zu arbeiten begann, hat McAskie 30 Jahre im Dienst des kanadischen Entwicklungshilfeministeriums gestanden. In dieser Zeit hatte sie hochrangige Posten inne; sie war unter anderem zuständig für Afrika und den Nahen Osten.


1 Nähere Informationen über die Kommission siehe: www.un.org/peace/peacebuilding/

2UN-Dok. S/RES/1645 v. 20. Dezember 2005. Zur Gründung siehe: Silke Weinlich, Weder Feigenblatt noch Allheilmittel. Die neue Kommission für Friedenskonsolidierung der Vereinten Nationen, Vereinte Nationen, 1-2/2006, S. 2–11.

3 Die Strategie für Burundi wurde am 20. Juni 2007 verabschiedet, siehe: Pressemitteilung PBC/15: www.un.org/News/Press/docs/2007/pbc15.doc.htm

Nach oben