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Ein Vorschlag zur Behebung der Defizite der friedlichen Streitbeilegung Interdependenz und Einmischung

So wichtig die friedliche Beilegung von Streitigkeiten - Gegenstand von Kapitel VI der Charta der Vereinten Nationen - ist, so liegt ihre große Schwäche doch darin, dass sie die vorausgehenden Phasen des Konflikts vernachlässigt. Ihre Diskussion setzt erst ein, wenn ein Streitfall die »Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu gefährden (beginnt)«. Damit wird die gesamt Genese des Konflikts, die Entstehung und Zusammenfügung seiner Ursachen aus der Aufmerksamkeit der Weltorganisation ausgeblendet. Dieses Manko ist den Vereinten Nationen inzwischen derart deutlich bewusst geworden, dass die Gipfelkonferenz des Sicherheitsrats am 31. Januar 1992 dieses bisher gültige Weltbild zu den Akten gelegt hat. Die ›Black box‹ des Staates wurde analytisch geöffnet, die »Instabilität im wirtschaftlichen, sozialen, humanitären und ökologischen Bereich« als Ursache der Bedrohung von Frieden und Sicherheit anerkannt. Damit wurde dem Kapitel VI der Charta unsichtbar ein neues Kapitel vorgeschaltet, das die Überschrift tragen könnte: Soziopolitische und ökonomische Ursachen internationaler Konflikte und die Möglichkeit ihrer präventiven Bearbeitung. Jedenfalls bekam der Generalsekretär den Auftrag, Empfehlungen zur »präventiven Diplomatie, zur Friedensstiftung und zur Friedenssicherung« auszuarbeiten. Damit war die Vorbeugung zum Thema der Vereinten Nationen gemacht, das Defizit jedenfalls von der Intention her beseitigt worden. Es genügt nicht mehr, die Gewalt zu sanktionieren oder sie, wenn sie am Horizont auftaucht, zu umgehen zu versuchen. Es kommt darauf an, ihre Entstehung zu verhindern. Davon war bisher nicht nur in der Charta der Vereinten Nationen nicht die Rede. Auch die politischen Klassen, die Fachleute von Diplomatie und Militär sowie das allgemeine öffentliche Bewußtsein bewahrten noch immer jenes Bild der internationalen Politik, in dem nur die zwischenstaatlichen Interaktionen und auch die nur zu dem Zeitpunkt erschienen, an dem sie zumindest perspektivisch mit dem Einsatz von Gewalt verbunden waren. Weltbilder verändern sich eben nur langsam.

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