Jahr für Jahr sieht es eine Woche lang so aus, als säßen die Deutschen schon längst als Ständiges Mitglied im Sicherheitsrat. Denn abgesehen von den USA fährt kein Mitgliedstaat der Vereinten Nationen Ende September jeweils zu Beginn der neuen Sitzungsperiode der Generalversammlung mit solchem Aplomb in New York auf wie die vom Außenminister geleitete Delegation aus Bonn mit ihrem beeindruckenden Journalistentross im Gefolge. Das war schon so, als es noch die DDR gab und zwei deutsche Staaten der Weltorganisation angehörten. Hans-Dietrich Genscher hat diese Als-ob-Attitüde während seiner langen Amtszeit im AA zu voller Blüte entwickelt und es verstanden, durch die äußeren Insignien des Auftretens am East River die Bundesrepublik ein paar Tage lang wie eine Großmacht erscheinen zu lassen, schon Jahre bevor im Nachgang zur deutschen Einheit der Wunsch nach einem festen Platz am Tisch des Sicherheitsrats Gestalt annahm. Klaus Kinkel, der unermüdliche Advokat für diesen Sitz, brauchte an seinem und der Deutschen Auftreten nichts zu ändern, als er sich im September 1992 erstmals nach New York auf den Weg machte.