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Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen in Hamburg

Die Hansestadt Hamburg stellte im Juli, als Gastgeber des G20-Gipfels, einen ersten Fahrplan zur Umsetzung der siebzehn Nachhaltigkeitsziele (SDGs) der UN-Agenda2030 vor. Die im Hamburger Fahrplan gesetzten Schwerpunkte Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und globale Solidarität, sollen es mit den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen Hamburgs aufnehmen und zu Wohlstand und Wohlergehen beitragen.

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Hamburger Ratschlag zur Umsetzung der UN-Agenda 2030

Die Hansestadt Hamburg stellte im Juli, als Gastgeber des G20-Gipfels, einen ersten Fahrplan zur Umsetzung der siebzehn Nachhaltigkeitsziele (SDGs) der UN-Agenda 2030 vor. Die im Hamburger Fahrplan gesetzten Schwerpunkte Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und globale Solidarität, sollen es mit den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen Hamburgs aufnehmen und zu Wohlstand und Wohlergehen beitragen. Hamburg kommt hiermit der expliziten Forderung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung nach, eigene Strategien mit regionalen Schwerpunkten zu entwickeln.

Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan macht deutlich: „Mit dem Hamburger Fahrplan zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen bekennt Hamburg sich zu so wichtigen Themen wie Klimaschutz, Gerechtigkeit und globaler Solidarität. Wir alle tragen die Verantwortung dafür, unsere Welt so zu gestalten, dass auch die nächsten Generationen ein gutes Leben führen können.”

Städte, wie die Hansestadt Hamburg, mit aktuell über 1.860.000 Einwohnern, nehmen eine zentrale Rolle ein, einen Beitrag zur Umsetzung der SDGs* zu leisten, da sie gleichzeitig Problemverursacher und Problemlöser sind. Vielschichtige Interessen unterschiedlichster Akteure treffen auf kleinstem Raum aufeinander, z.B. im Umweltschutz oder bei sozialer Gerechtigkeit. Städte besitzen das meiste Potential, Neues auszuprobieren und nachhaltig Transformationen zu initiieren. Besonders deutlich wird dies in den Bereichen soziale und effiziente Wohnungsbaupolitik, umweltbewusste Mobilitätskonzepte, effiziente und ökologisch hochwertige Flächenplanung, Gendergerechtigkeit und Inklusion, Armutsbekämpfung, Bildung, Energie- und Abfallwirtschaft oder Bildung für Nachhaltige Entwicklung.

Zunächst ausgehend von der Umweltbehörde, wurde behördenübergreifend im Herbst 2016 ein Prozess unter Mitwirkung der Zivilgesellschaft und der Privatwirtschaft eingeleitet. Relevante Schwerpunkte (Handlungsbereiche) und konkrete Aktionsfelder zur Umsetzung konnten identifiziert werden. Vier ressortübergreifende Handlungsbereiche wurden herausgearbeitet, die dem integrativen Charakter der Nachhaltigkeitsziele im Hamburger Kontext gerecht werden sollen: Umwelt und Stadt, Nachhaltige Wirtschafts- und Finanzpolitik, Teilhabe und sozialer Zusammenhalt und Bildung und Wissenschaft. Zum Thema Umwelt und Stadt ist es Hamburgs erklärtes Ziel, im Jahr 2050 eine resiliente, an  den Klimawandel angepasste Stadt zu sein. (SDG 11,13,15) Bis 2030 sollen CO2Emissionen in Hamburg halbiert, bis 2050 CO2-Emissionen um mindestens 80 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden.

 

Veranstaltung zu Hamburgs Fahrplan zur SDG Umsetzung
Hamburgs Fahrplan zur SDG Umsetzung / Foto: privat

Allerdings ist eine Hafenstadt wie Hamburg mit Containerschiffen und Kreuzfahrttourismus mit zusätzlicher Luftverschmutzung durch Schiffsdiesel-Feinstaub und Stickoxide belastet. Alexander Porschke vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) Hamburg erläutert: “ Häfen wie Hamburg tragen maßgeblich zur Luftverschmutzung in den Innenstädten bei. Deshalb ist es vordringlich, dass die Politik hier schnellstens mit geeigneten Gegenmaßnahmen gegensteuert.” Das Management des Hafens, die Hamburg Port Authority (HPA) arbeitet an einem Pilotprojekt zur Ermittlung von Emissionswerten und entwickelt Lösungen zu deren Reduktion, z.B. sollen Kreuzfahrtschiffe Landstrom für Liegezeiten erhalten.

Der Bund für Umwelt und Natur Deutschland (BUND) errechnete, dass alleine die Stickoxidwerte (NOx) die EU-Jahresgrenzwerte von 2010, die 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft an siebzehn Messstationen in Hamburg übersteigen. “Rund 80 Prozent der Stickoxide werden aber vom Straßenverkehr verursacht“, sagt BUND-Chef Manfred Braasch. Erst im März 2017 hat das Oberverwaltungsgericht Hamburg eine Strafe angedroht, damit die Umweltbehörde bis Juni 2017 einen Plan zur Luftverbesserung vorlegt. Der im Juni vorgelegte Luftreinhalteplan plant die erlaubten Grenzwerte aber erst bis 2025 erreichen.

In einer Weiterentwicklung des Hamburger Olympia-Projektes, sollen neue Maßstäbe für eine integrierte und nachhaltige Stadtentwicklung, mit der Entstehung des neuen Stadtteils Oberbillwerder gesetzt werden, indem Querschnjttsthemen wie Inklusion und Gender berücksichtigt sind. (SDGs 5, 7 -13 und 15) Diese ambitionierte Stadtteilentwicklung plant, unter größtmöglicher Beteiligung aller Akteure zur Entwicklung und Umsetzung, eine Größenordnung von mehreren tausend Wohnungen im Osten Hamburgs inklusive Infrastruktur. Leitlinien sind zukunftsweisende Standards hinsichtlich grüner Infrastrukturen, sozialer Inklusion, bezahlbarem Wohnraum unter Verwendung ausschließlich erneuerbarer Energien. Des Weiteren sollen im Rahmen eines Mobilitäts-Labors Experten aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Verwaltung, sowie interessiere Bürger, strittige Verkehrsthemen diskutieren und gemeinsame Lösungswege für die Bedürfnisse unterschiedlicher Verkehrsteilnehmer zur Reduktion des Individualverkehrs (Autofreie Zonen, Geschwindigkeitsbegrenzung 30km/h, Ausbau von Radwegen, höher Parkgebühren in der Innenstadt) und Ausbau des Nahverkehr (emissionsarmer Busverkehr) aufzeigen. (SDGs 7,9,11,13, 15) Besonders positiv ist die Berufung Hamburgs durch die UNESCO zum „Key Partner“ für das Weltaktionsprogramm Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) zu erwähnen. In Hamburg konnte man im Bereich BNE als eine, von vier weltweit ausgewählten Städten mit der bisherigen, seit 2005 vorbildlichen Arbeit mit Kindern in Kindergärten, Jugendlichen und Erwachsenen an Schulen und Hochschulen, und in der beruflichen Aus- und Weiterbildung punkten. (SDG 4)

Karsten Weitzenegger von der Gesellschaft für Internationale Entwicklung in Hamburg (Society for International Development, SID) und aktiver Mitgestalter des zivilgesellschaftlichen Hamburger Ratschlags, würdigt den Senatsfahrplan „als Diskussionsgrundlage zur Umsetzung der Agenda 2030, auf die sich alle Akteure beziehen können”. Entsprechende behördenübergreifende Handlungsleitlinien für die Bürgerschaft wären allerdings bisher noch nicht auf der Tagesordnung. Bei der Schwerpunktsetzung ist nicht ersichtlich, dass Strategien und Umsetzung der Agenda 2030 in Hamburg, als gleichwertig und untrennbar behandelt werden. Das Hamburger Senatspapier gestaltet sich hinsichtlich der Umsetzung mehr als ein Aktionsrahmen für einzelne Themenschwerpunkte.

Das im Hamburger Klimaplan enthaltene Aktionsprogramm 2020/2030 legt Ziele und Maßnahmen zur Transformation urbaner Räume in vierzehn Handlungsfeldern z.B. Energiewende, Lärmschutz, Luftreinhaltung, Recyclingoffensive, Biodiversität und Artenschutz, nachhaltige Verkehrskonzepte, Grüne Bauten, bezahlbarer Wohnraum, effiziente Flächennutzung, Sicherung der Trinkwasserversorgung, höhere Lebensqualität durch Landschaftsachsen in der Siedlungsplanung, fest. Wünschenswert wäre jedoch eine Umgestaltung zum umfassenden Nachhaltigkeitsleitfaden statt lediglich einer Erweiterung des Umweltleitfadens um einzelne Bereiche, am Beispiel Fairtrade und Nachhaltige Beschaffung für Hamburgs Öffentliche Auftraggeber oder Einführung eines Pfand-Mehrweg-Kaffeebechers im Stadtgebiet.

In diesem Nachhaltigkeitsleitfaden könnten sozial-ökologische Themen, z.B. Anreize in der Privatwirtschaft schaffen für faire und nachhaltige Beschaffung und vorbildlichem Umweltschutz , ILO-Kernarbeitsnormen, die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, Corporate Social Responsibility (CSR) und einen Schutz von HinweisgeberInnen Berücksichtigung finden. Zwölf zivilgesellschaftlichen Organisationen haben im Hamburger Ratschlag den Forderungskatalog “Die Zukunft, die wir wollen, das Hamburg, das wir brauchen” an die Hamburger Politik erarbeitet, indem folgende Schwerpunkte zur Umsetzung der UN Ziele in der Hansestadt gesetzt wurden: Klimaschutz und Energie, Bildung nachhaltige Entwicklung, Wirtschaft und Arbeitswelt, Nachhaltige Stadtentwicklung, Ungleichheit, Armut und Gendergerechtigkeit. Trotz der Zusicherung eines breiten und transparenten Beteiligungsverfahrens und unter Berufung auf die siebzehn Nachhaltigkeitsziele erwünschten Dialoges auf Augenhöhe, ist im Fahrplan des Senats manches, wie die Anpassung der Hamburgischen Verfassung an die Agenda 2030 oder die Umweltpolitik als Chefsache, nicht berücksichtigt.

Zum Thema Nachhaltigkeit in der Wirtschaftspolitik, ein zukünftig maßgeblicher Transformationsfaktor für Arbeit und Arbeitsbedingungen, Beschaffung, Lieferkettenmanagement und Umweltschutz, fordert die Zivilgesellschaft eine feste Verankerung in Gesetzen für Vergabe, Förderung, öffentlichen Investitionen und Hafenentwicklung. Im aktuellen Fahrplan des Senats fand dies noch keine Erwähnung.

Der erste Schritt in Richtung nachhaltige Stadt Hamburg ist vom Hamburger Senat getan, doch die Zeit drängt zur Umsetzung. Für 2017 sind wichtige Meilensteine verkündet worden, wie die Einrichtung einer Koordinationsstelle „SDGs für Hamburg“ in der Bürgerschaft und eines begleitenden zivilgesellschaftlichen Gremiums, dass die Dialogbereitschaft der Akteure mit Zivilgesellschaft kritisch und kontinuierlich begleitet, berät und darin den partizipativen Charakter der SDGs bestärkt.

Um die künftigen Herausforderungen für eine lebenswerte Hafenstadt Hamburg zu meistern, wäre es eine Überlegung wert, den für 2018 geplanten Meilenstein eines Monitoring Systems, bestehend aus Zielen und Indikatoren vorrangig zu behandeln, um Zielkonflikte zu lösen und die erfolgreiche Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Agenda2030 zu beflügeln. Parallel dazu könnte die Entwicklung und Abstimmung einer „Checkliste Nachhaltigkeit“ für drängende Projekte und Strategien sinnvoll sein.

Autorin: Andrea Boerries (Mitglied der Society for International Development)