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Meeresschutz: Handeln überfällig

Erstmals hat sich eine UN-Konferenz dem nachhaltigen Schutz der Ozeane verschrieben. Die UN-Ozeankonferenz hat vom 5. Juni - 9. Juni in New York stattgefunden. Mit einer Diskussionsveranstaltung und einer Live-Schaltung ins UN-Hauptquartier griffen die DGVN und die Schwedische Botschaft in Berlin das Thema auf. Deutlich wurde, wie wichtig und gleichzeitig wie komplex ein Umsteuern ist.

Logo der Ozean-Konferenz

„Für die Menschen vor Ort gibt es keinen Plan B, ihre Lebensgrundlage ist der Ozean“, unterstrich Jan Pingel, Koordinator des Ozeanien-Dialogs gestern Abend (7.06.) in Berlin.  Unter dem Motto „Eine nachhaltige Zukunft für unsere Ozeane?“ lud die DGVN zusammen mit der Schwedischen Botschaft zu einer Diskussionsveranstaltung ein. Mit einer Skype Live-Schaltung zur schwedischen Delegation in New York konnten die zahlreichen Besucher den aktuellen Stand der ersten Ozean-Konferenz der Vereinten Nationen verfolgen. Ziel ist es, gemeinsame Maßnahmen zur Rettung der Ozeane auf den Weg zu bringen. Dies ist auch im Ziel 14 der UN-Agenda 2030 festgeschrieben.

90 Prozent der Fischbestände übernutzt

Denn die Meere sind von grundlegender Bedeutung für die Bekämpfung der Armut, die Sicherung der Ernährung von mehreren Milliarden Menschen, sie helfen der Erwärmung der Erde vorzubeugen, produzieren Sauerstoff und sind spiritueller Mittelpunkt vor allem für Insel- und Küstenbewohner. Die Bedrohung ist vielfach. Wenn sich nichts ändert, könnte bis im Jahr 2050 ebenso viel Plastikmüll wie Fisch in den Weltmeeren schwimmen. 90 Prozent der kommerziellen Fischbestände sind überfischt und schätzungsweise jeder fünfte Fisch wird illegal gefangen. Weil die Ozeane als Lungen der Erde CO2 absorbieren sind sie zu 30 Prozent saurer als in vorindustriellen Zeiten. Dies bedroht alle kalkskelettbildenden Lebewesen wie Korallenriffe. Und Mangrovenwälder, die Küsten schützen, sind in vielen Ländern zerstört worden.

Weniger herausholen und weniger hineinwerfen

Klar ist, dass bald umgesteuert werden muss. Doch wie komplex und herausfordernd dies ist, wurde auch auf der DGVN-Veranstaltung deutlich. „Weniger aus dem Meer herausholen und weniger ins Meer hineinwerfen“, brachte es Jürgen Maier vom Forum Umwelt & Entwicklung auf den Punkt. Im Kern geht es um eine Änderung unseres Lebensstils und Wirtschaftsweise, des weltweiten Entwicklungsmodells und der Verteilungsgerechtigkeit. Dies betrifft an erster Stelle uns „im Norden“, aber auch eine zunehmend wachsende Mittelschicht in Schwellen- und Entwicklungsländern, die dem nicht nachhaltigen Konsumideal nacheifern. Dies fängt beim jährlichen Umstieg auf das neueste Smartphone, dem Kauf von Zahnpasta oder Reinigungsmitteln mit Mikroplastikbestandteilen an und geht bis zum Autofahren und Fliegen und dem Fisch- und Energiekonsum. Zudem müssen Staaten beim Meeresschutz kooperieren, Verpflichtungen einhalten und Unternehmen entsprechend kontrollieren. „Wir haben es hier mit enorm vermachteten Strukturen zu tun“, sagte Ingrid-Gabriela Hoven vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit Bezug auf die industrielle Fischfangindustrie.

Diskussionveranstaltung der DGVN und der Schwedischen Botschaft in Berlin zum Schutz der Ozeane
(v.l.) Frank Schweikert (Deutsche Meeresstiftung), Jan Pingel (Ozeanien-Dialog), Ingrid-Gabriela Hoven (BMZ), Oliver Hasenkamp (DGVN), Jürgen Maier (Forum U&E) diskutierten über den Schutz der Ozeane. (Foto: H.C. Neidlein)

Fischereisubventionen streichen

So herrschte auf dem Podium zwar Einigkeit darüber, dass die weltweiten Subventionen für die Fischerei in Höhe von jährlich circa 35 Milliarden US-Dollar gestrichen werden sollten, wie dies jüngst die UNCTAD forderte. Denn diese kommen hauptsächlich der industriell ausgerichteten Fischerei in den Industrieländern, aber auch in Entwicklungs- und Schwellenländern wie den Philippinen, Malaysia oder Chile zu Gute. Doch wie dies rasch umgesetzt werden kann blieb offen. Maier forderte eine Halbierung der Fischereiflotten und zumindest in den Industrieländern einen weitgehenden Verzicht auf den Verzehr von Meeresfischen. Circa 20 Fischarten sollten nicht mehr gegessen werden, damit sich die Bestände erholen können, riet er. Dies unterstütze auch lokale Fischer, beispielsweise in Afrika oder Ozeanien. „Die Leute brauchen einfach Fisch vor Ort“, unterstrich Pingel. Für „gerechte und deutlich höhere Fischpreise“ plädierte Frank Schweikert, Gründer der Deutschen Meeresstiftung. „Fisch ist ein wertvolles Gut, wir müssen einen höheren Preis für Nahrung zahlen“, betonte er. „Wir sollten auch versuchen, die lokale handwerkliche Fischerei zu unterstützen“, sagte BMZ-Vertreterin Hoven. Zudem sollten Staaten dabei unterstützt werden, Schutzmaßnahmen besser zu verwalten. Einen wichtigen Ansatz sieht Hoven in der geplanten Ausweisung von zehn Prozent der Weltozeane als Meeresschutzgebiete bis zum Jahr 2020 sowie in dem verstärkten Schutz der Mangrovenwälder.

Umstrittener Tiefsee-Bergbau

Eine weitere Baustelle beim Schutz der Ozeane ist der Bergbau in der Tiefsee, den ein kanadisches Unternehmen 2019 vor Papua-Neuguinea erstmals starten möchte. Weltweit wurden schon für 1,5 Millionen Quadratmeter Meeresboden Schürfrechte vergeben und auch Deutschland mischt hier mit. „Der Meeresbergbau wird als akute Bedrohung für das eigene Leben wahrgenommen und die Leute wollen nicht länger Versuchskaninchen sein“, sagte Pingel mit Bezug auf seinen jüngsten Aufenthalte in Ozeanien. Hoven sieht darin keinen Beitrag zu einer nachhaltigen lokalen Wertschöpfung, verwies allerdings darauf, dass etliche Entwicklungsländer auch Chancen im Meeresbergbau sehen.

Verhaltener Optimismus

Unabhängig von konkreten Resultaten der UN-Konferenz zeigte sich Magnus Lennartsson von der schwedischen Delegation bei der Live-Schaltung während der DGVN-Veranstaltung verhalten optimistisch. „Es ist schon ein wichtiger Schritt, dass diese Konferenz auf maßgeblichen Druck von Fidschi und Schweden stattfindet“, sagte er. Schweikert sieht in er UN-Konferenz einen wichtigen Schritt für mehr Dialog zum Schutz der Ozeane und zur Bewusstseinsbildung. Hoven verwies als Hoffnungszeichen auf einen von Schweden und der Bundesregierung initiierten, 30 Millionen Euro starken Blue Action Fonds, der Nichtregierungsorganisationen in Ländern wie Mauretanien dabei unterstützen will, Meeresschutzgebiete einzurichten.

Hans-Christoph Neidlein


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