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Kann es eine neue UNESCO geben?

Die 39. Generalkonferenz soll deutliche Zeichen eines Neuanfangs setzen. Einfach wird das nicht. In diesem Beitrag äußert Klaus Hüfner, Präsidiumsmitglied der DGVN und Ehrenmitglied der Deutschen UNESCO-Kommission, seine Meinung zur Frage, welche Gestaltungsmöglichkeiten die UNESCO heutzutage noch wahrnehmen kann.

Die 39. Generalkonferenz soll deutliche Zeichen eines Neuanfangs setzen. Einfach wird das nicht. Einerseits verabschiedet sie den neuen Vierjahresplan 2018-2021, andererseits wählt sie mit Audrey Azoulay  für die kommenden vier Jahre eine neue Generaldirektorin. Und zwar exakt in dieser Reihenfolge, zunächst das Arbeitsprogramm für vier Jahre, danach am 10. November die neue Generaldirektorin. Welche Gestaltungsmöglichkeiten wird sie überhaupt noch wahrnehmen können?  Ihr Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung des neuen Arbeitsprogramms kann nur  kreativer Art sein und schrittweise erfolgen, getragen von einen erneuerten Team mit deutlich gesenktem Durchschnittsalter.  Vielleicht gelingt es ihr und den sie unterstützenden Mitgliedern der Generalkonferenz, den neuen Vierjahresplan zumindest mit einem Vorbehalt  zu verabschieden, der  entsprechende Revisionen auf der 40. Generalkonferenz 2019 möglich macht.

Seit 2011 zahlen die USA nicht mehr ihren jährlichen Pflichtbeitrag an die UNESCO, obwohl sie Mitglied geblieben sind. Jetzt kündigten sie ihre Mitgliedschaft zum 31. Dezember 2018.  Mit diesem Austritt kann endlich reiner Tisch gemacht und die seit 2011 andauernde völkerrechtliche Verletzung muss nicht mehr klammheimlich toleriert werden. Die finanzielle Grundlage des Arbeitsprogramms der UNESCO muss allerdings spätestens ab 2019 ganz offiziell um mindestens 22 Prozent abgesenkt werden. Und man darf gespannt sein, wann und wie die USA ihre Schulden begleichen werden, die dann eine Höhe von rund 600 Mio. US-Dollar erreicht haben.

 Viele Mitgliedstaaten fordern seit langem Reformen, ohne allerdings konkrete Vorschläge auf den Tisch zu legen. Diese politische Haltung ist ebenso wie der traditionelle Ruf nach mehr Effizienz und Effektivität leider nicht mehr als ein diplomatisches  Schattenboxen. Aber welche Reformen stehen wirklich an? Wie ist die unheilvolle Entwicklung der zunehmenden Politisierung in der UNESCO zu stoppen?

1991 hatte die UNESCO-Generalkonferenz eine tiefgreifende Änderung in der Zusammensetzung des Exekutivrates vorgenommen. Aus Experten, sachverständig in den Arbeitsgebieten der UNESCO,  wurden Staatenvertreter. Aus kompetenter Beständigkeit über vier Jahre hinweg wurden diplomatische Vertretungen mit deutlich erhöhter Fluktuation. Auswirkung dieses Prozesses der Verstaatlichung ist eine zunehmende Politisierung in der Zusammenarbeit der 195 Mitgliedstaaten. Statt eine sachbezogene und Grenzen überwindende Kulturpolitik weiter zu entwickeln, drohen Stellvertreter-Konflikte, die  neue unüberwindbare Mauern der Zusammenarbeit auf den Gebieten der Bildung, Kultur und Wissenschaft errichten, wie dies zuletzt in den  Konflikten Israel-Palästina und Japan -China deutlich wurde.

1991 wurde auch ein „Ad-hoc-Forum der Reflexion“ eingerichtet, um die intellektuelle Kooperation in der UNESCO zu stärken und zu stützen. Dieses Denk-Forum, bestehend aus 21 Persönlichkeiten, tagte jedoch 1993 nur zweimal und wurde dann schweigend zu Grabe getragen. Vielleicht ist es an der Zeit, eine solche Einrichtung wiederzubeleben. Mit neuem Namen, neuen Gesichtern und dem wichtigen Auftrag, konkrete Vorschläge zu strukturellen wie auch inhaltlichen Reformen der UNESCO zu entwickeln und zur Diskussion zu stellen. Die breite Fächerung der Aufgabenstellung der UNESCO muss dabei ebenso überprüft werden wie die sinnhafte Einbeziehung von Sachkompetenz auf individueller wie auf staatlicher Ebene. Denn schließlich geht es insbesondere darum, die Zukunft der UNESCO als „Denkfabrik“ des gesamten UN-Systems zu erhalten und zu stärken. So groß die Aufgabe auch erscheint,  ein Zeitrahmen von zwei Jahren bis zur nächsten UNESCO-Generalkonferenz sollte nicht überschritten werden, um die gerade spürbare Aufbruchsstimmung nicht zu verspielen, die mit der  Wahl der neuen Generaldirektorin aufgekommen ist.

                                                                                           Klaus Hüfner

Der Autor ist Präsidiumsmitglied der DGVN und Ehrenmitglied der Deutschen UNESCO-Kommission. In diesem Beitrag äußert er seine persönliche Meinung.


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