Menü

Jean-Pierre Bemba wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gesprochen

Der Kongolese Jean-Pierre Bemba wurde vom Internationalen Strafgerichtshof für die Gewalt seiner MLC-Truppen in der Zentralafrikanischen Republik in den Jahren 2002 und 2003 verurteilt. Das Urteil ist in zweierlei Hinsicht von besonderer Bedeutung.

Ein MINUSCA-Soldat in der Zentralafrikanischen Republik
UN-Friedenssicherungstruppen in der Zentralafrikanischen Republik im Juni 2014: Nach einer erneuten Phase von Unruhen und Gewalt soll die MINUSCA-Mission für Stabilisierung sorgen. (UN Photo/ Catianne Tijerina)

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGh, engl. International Criminal Court/ siehe auch Infobox) hat den ehemaligen kongolesischen Rebellenführer Jean-Pierre Bemba am 21. März 2016 wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Das Urteil gegen Bemba ist in mehrfacher Hinsicht von besonderer Bedeutung. So ist es das erste Urteil des IStGh, das Vergewaltigungen als Kriegsverbrechen behandelt. Zudem ist der frühere Anführer der Mouvement pour la Liberation du Congo (MLC, deutsch: Bewegung für die Befreiung Kongos) die erste Person, die vom IStGh wegen ihrer Befehlsgewalt schuldig gesprochen wurde. Über das Strafmaß werden die Richter erst später entscheiden.

Anklage gegen Bemba für Verbrechen in der Zentralafrikanischen Republik

Die Taten fanden 2002 und 2003 in der Zentralafrikanischen Republik statt. Als politischer und militärischer Kopf der MLC hat Bemba drei seiner Bataillone mit einer Stärke von rund 1.500 Soldaten in das Land geschickt. Diese sollten dort den damaligen Präsidenten Ange-Félix Patassé unterstützen. Der Kongolese Bemba war in seiner Rebellion gegen Joseph Kabila, damals Präsident der Demokratischen Republik Kongo, abhängig von Patassé, der dem MLC Unterschlupf und logistische Unterstützung gewährte. Während der Kämpfe gegen die Forces Armées Centrafricaines (FACA) haben die MLC-Truppen zahlreiche Zivilisten vergewaltigt und ermordet sowie Plünderungen begangen. 2015 hat der UN-Generalsekretär in einem Bericht den Sicherheitsrat über die sexuelle Gewalt im Konflikt informiert. 

Im Jahr 2004 hat die Zentralafrikanische Republik Bemba und Patassé wegen der Menschenrechtsverletzungen während der Rebellion angeklagt. Bemba war in der Zwischenzeit jedoch stellvertretender Präsident der Demokratischen Republik Kongo geworden und genoss Immunität gegenüber Kongos Behörden. Zudem befand der oberste Gerichtshof der Zentralafrikanischen Republik 2006, dass das eigene nationale Justizsystem nicht imstande sei, die Verbrechen in einem Gerichtsverfahren aufzuarbeiten. Das Land verfügt unter anderem nicht über ein Zeugenschutzprogramm und konnte daher die Sicherheit der potenziell aussagenden Vergewaltigungsopfer nicht garantieren. Die Zentralafrikanische Republik wandte sich daher an den IStGh, der 2007 Ermittlungen aufnahm. Nach seinem Gründungsdokument, dem Römischen Statut, darf der IStGh nur eingreifen, wenn ein Staat unfähig oder nicht gewillt ist, selbst zu handeln.

Bemba ist 2007 als kongolesischer Oppositionsführer ins Exil nach Portugal gegangen und wurde aufgrund eines Haftbefehls des IStGh im Jahr 2008 in Brüssel festgenommen. Seit 2010 lief der Prozess gegen ihn.

Der Internationale Strafgerichtshof

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH, engl. International Criminal Court) wurde 1998 durch das Römische Statut auf einer Staatenkonferenz in Rom gegründet. Der IStGh ist eine unabhängige Institution außerhalb des UN-Gefüges. Es steht Staaten frei, ihm beizutreten. Seine Beziehung zu den Vereinten Nationen ist über ein Kooperationsabkommen geregelt. Als 2002 60 Staaten das Römische Statut ratifiziert hatten, hat der IStGh seine Arbeit in Den Haag aufgenommen. Er wird nur bei Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit tätig. Als weitere Voraussetzung ist es notwendig, dass Staaten diese Verbrechen nicht selbst verfolgen können oder wollen. Es können Personen angeklagt werden, wenn das Land, in dem die Delikte begangen wurden, dem Gerichtshof beigetreten ist oder wenn das Heimatland des mutmaßlichen Täters das Statut ratifiziert hat.

Ein besonderes Urteil in zweierlei Hinsicht

Im Urteil vom 21. März 2016 haben die drei zuständigen Richterinnen Bemba nun in zwei Fällen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Mord und Vergewaltigung) und in drei Fällen von Kriegsverbrechen (Mord, Vergewaltigung und Plünderung) für schuldig gesprochen. Die MLC-Truppen in der Zentralafrikanischen Republik standen nach Ansicht des Gerichts klar unter der militärischen Kontrolle Bembas. Er habe gewusst, dass sie diese Verbrechen verüben oder kurz davor standen, sie zu verüben. Bemba habe zudem nicht alle notwendigen Maßnahmen ergriffen, um die Verbrechen zu verhindern oder deren Ausmaß zu reduzieren.

Die Verurteilung stellt den ersten Fall dar, in dem der IStGh das Prinzip der Kommando- oder Vorgesetztenverantwortlichkeit anwandte. Auch die Chefanklägerin des IStGh, Fatou Bensuada, betonte in einer Erklärung die Bedeutung, die sich daraus ergibt. 
Demnach können sich Kriegsverbrecher vor dem internationalen Strafjustizorgan mit den meisten Mitgliedstaaten nicht dadurch aus der Verantwortung ziehen, dass sie Verbrechen nicht eigenhändig begangen haben.
Bei anderen internationalen Strafprozessen, wie die des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien und des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda, ist die Anwendung dieses Prinzips bereits gang und gäbe. Die Nürnberger Prozesse wären ohne diese Rechtsnorm ebenfalls undenkbar gewesen.

Auch ein weiterer Aspekt des Urteils ist von besonderer Bedeutung. Erstmals verurteilte der IStGh Vergewaltigungen als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Menschenrechts- und Frauenrechtsgruppen drängen seit langer Zeit darauf, Vergewaltigungen als eine Waffe des Krieges und nicht nur als eine seiner Begleiterscheinungen zu ächten. Dementsprechend positiv wurde das Urteil gegen Bemba von ihnen aufgenommen. 

IStGh-Chefanklägerin Fatou Bensuada (Gambia) mit UN-Generalsekretär Ban Ki-moon. (UN Photo/ Rick Bajornas)

Symbolisch bedeutende Rechtsprechung

Die Ächtung von sexueller und geschlechterbasierter Gewalt hat sich im internationalen Recht stetig weiterentwickelt. In den Nürnberger Prozessen gegen die deutschen Nationalsozialisten wurde der Aspekt der sexuellen Gewalt nicht als eigener Anklagepunkt behandelt. Die systematische Ausbeutung von 200.000 sogenannten „Trostfrauen“ als Sexsklavinnen durch japanische Soldaten wurde in den Tokioter Prozessen als eigener Anklagepunkt aufgeführt. Auch in den oben erwähnten Internationalen Strafgerichtshöfen für das ehemalige Jugoslawien sowie für Ruanda kam der Aspekt der sexuellen Gewalt zum Tragen. Fast die Hälfte aller durch das Tribunals für Ex-Jugoslawien Verurteilten wurden auch für Verbrechen, die sexuelle Gewalt beinhalten, schuldig gesprochen. Das Ruanda-Tribunal war das erste internationale Gericht, das eine Person für Vergewaltigung als Völkermordverbrechen verurteilte. 
Inwieweit internationale Rechtsprechung eine abschreckende Wirkung hat bleibt jedoch ungewiss. So zählt das Urteil gegen Bemba wohl vor allem symbolisch und weniger in seiner realen Wirkung.

Bemba ist die dritte und hochrangigste Person, die vom IStGh schuldig gesprochen wurde. Seine Verhaftung war ein Schock für viele Kongolesen, die von seiner diplomatischen Immunität ausgegangen waren. Bei einigen gab es die Erwartung, dass der ehemalige Präsidentschaftskandidat freigesprochen würde. 
Der IStGh hat seit seiner Gründung ein nicht unproblematisches Verhältnis zu vielen afrikanischen Ländern. Der Vorwurf lautet, dass er in seiner Strafverfolgungsstrategie gegenüber Afrika voreingenommen wäre und ein neoimperialistisches Interventionswerkzeug darstelle. Die Verurteilung Bembas wird daher von Einigen in der Demokratischen Republik Kongo und in der Zentralafrikanischen Republik als Sieg begrüßt werden, während Andere sie als Schock wahrnehmen werden.

Letztlich wird auch einiges davon abhängen, zu wie vielen Jahren Haft Bemba verurteilt wird. Theoretisch drohen ihm bis zu 30 Jahre. Die meisten Experten gehen jedoch von einem geringeren Strafmaß aus. Da er seit 2008 in Untersuchungshaft ist, würde er bei einer Strafe von unter acht Jahren umgehend auf freien Fuß gesetzt werden.

Mirko Vossen


Das könnte Sie auch interessieren