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Gambia: Fischen in Zeiten des Klimawandels

Der Klimawandel beeinflusst die Ökosysteme der Fische und die Zukunftsperspektiven der Fischerfamilien im westafrikanischen Gambia bereits heute negativ. Zurückgehende Fangerträge sind ein alarmierendes Zeichen für wachsende Probleme. Die Fischereiwirtschaft muss rasch auf die Herausforderungen durch die Folgen des Klimawandels reagieren. Dabei trägt Gambia nur 0,01 % zu den globalen klimaschädlichen Emissionen bei.

Im Wasser viele Boote, am Land Männer und Frauen, die mit ihren großen Bottichen am Land auf den Fisch warten
Frauen sind in Gambia für die Verarbeitung und den Einzelverkauf der angelandeten Fische verantwortlich. Foto: UNCTAD

„Diejenigen, die ihren Lebensunterhalt mit Fischen verdienen, und die Ökosysteme der Fische werden von einer ganzen Reihe von Klimavariablen beeinflusst, darunter extremen Wetterereignissen wie Flutkatastrophen und Dürren. Diese haben Auswirkungen auf die Zusammensetzung und den Umfang der Fischbestände. Fischereimanager und alle an der Fischerei Beteiligte stehen vor der Herausforderung, auf Klimawandel und Klimavariabilität zu reagieren.“

So hat Perpetua Katepa Kalala, die Leiterin des FAO-Landesbüros in Gambia, kürzlich die Herausforderungen der Fischereiwirtschaft des Landes beschrieben. Gambia trägt zwar nur 0,01 % zu den globalen klimaschädlichen Emissionen bei, ist aber auf vielfältige Weise vom Klimawandel betroffen.

Der Fischfang vor der Küste des kleinen westafrikanischen Landes wird beeinträchtigt durch einen deutlich zurückgehenden Fischbestand. Dies wird in erster Linie durch das Überfischen – vor allem durch große europäische Fischtrawler – und eine klimabedingte Versauerung des Meerwassers verursacht. Hinzu kommt die Zerstörung von Mangrovenwäldern in den Ufer- und Brackwasserzonen, die unverzichtbar für das Ablaichen der weiblichen Fische und die erste Lebensphase der Jungfische sind. Das Mangrovensterben wird sowohl durch Menschen als auch durch höhere Durchschnittstemperaturen der Luft und einen höheren Salzgehalt des Brackwassers verursacht.

Zurückgehende Fangerträge treffen Gambia hart

Die gambische Zeitung „The Torch“ zitierte in ihrer Ausgabe vom 11. Dezember 2015 den Fischer Salifu Jammeh zu den Folgen der ökologischen Krise: „In der Vergangenheit musste man nur ein oder zwei Seemeilen ins Meer hinausfahren, um ausreichend Fische für den ganzen Tag zu fangen. Aber das ist heute nicht mehr der Fall. Es gibt hier nicht mehr viele Fische. Unsere Fänge haben sich um mindestens 40 % vermindert. Manchmal vergeht eine ganze Woche, bis wir im Meer einen ordentlichen Fang machen.“

Einfache Hütten, eine steile Böschung und im Wasser zwei Boote
Besonders die Flussfischerei wird häufig weiterhin mit einfachen Kanus betrieben. Größere Fänge der Flussfischer wären ökologisch vertretbar und könnten einen wichtigen Beitrag zu Ernährungssicherheit, Beschäftigung und Einkommen leisten. All dies ist dringend erforderlich in einem Land, das lediglich eine Fläche von knapp 11.300 qkm und mehr als 1,7 Millionen Einwohner hat. Foto: Jerzy/pixelio.de

Auch der Fischfang im Deltagebiet des Gambia-Flusses droht zurückzugehen. Grund dafür ist das Vordringen von Salzwasser in die bisherigen Brackwasserzonen. Dies wird verursacht durch einen steigenden Meeresspiegel bei gleichzeitigem Rückgang des Volumens des Flusswassers wegen abnehmender Niederschläge im Einzugsgebiet des Gambia-Flusses. Beide Veränderungen werden wesentlich vom Klimawandel verursacht.

Der Rückgang der Fänge in Gambia hat nicht nur für die Fischerfamilien negative Auswirkungen, sondern für die ganze Bevölkerung. Das verminderte Fischangebot löst steigende Preise aus, die der arme Teil der Bevölkerung häufig nicht bezahlen kann. Die Hälfte der Bevölkerung muss von einem Dollar oder weniger am Tag leben und gerade für sie ist Fisch als Proteinquelle unverzichtbar.

In Zusammenarbeit von UNIDO (Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung) und dem Programm „Enhanced Integrated Framework“ der Welthandelsorganisation WTO ist 2014 eine Studie zum Fischereisektor in Gambia mit dem Fokus auf Frauen erschienen. Darin wird herausgearbeitet, dass der Fischereisektor ein entscheidender Ausgangspunkt für die Armutsbekämpfung in Gambia darstellt, wozu es erforderlich ist, Frauen gezielt zu fördern, zum Beispiel bei der Planung von Investitionsvorhaben und bei Kreditprogrammen.

Anpassungsprogramme werden zu einer politischen Priorität

Gambia hat ein „Nationales Anpassungs-Aktionsprogramm“ verabschiedet, zu dem vielfältige Vorhaben wie ein Frühwarnsystem angesichts einer wachsenden Zahl von Extremwetterereignissen gehören. Bei verschiedenen Programmen arbeitet die Regierung Gambias intensiv mit UN-Organisationen und -Einrichtungen zusammen.

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO unterstützt u. a. ein Programm zur Erhöhung der Widerstands- und Anpassungsfähigkeit der Fischereiwirtschaft angesichts der nicht mehr abzuwendenden Folgen des Klimawandels. Ein wichtiges Ziel der ersten Phase des Projektes hat Perpetua Katepa Kalala vom FAO-Landesbüro kürzlich so beschrieben: „Das Ziel bestand darin, das Verständnis der lokalen Gemeinschaften und anderer Betroffener für die Auswirkungen des Klimawandels und für die eigene Verletzlichkeit zu wecken.“

Angesichts des Klimawandels sieht die FAO es als besonders wichtig an, die beruflichen Fähigkeiten der Fischer zu verbessern, konkrete Anpassungsstrategien zu vermitteln und neue Einkommensmöglichkeiten zu eröffnen. Dazu gehören zum Beispiel Programme zum Aufbau von Aquakulturbetrieben.

Klimaschutz und Armutsbekämpfung werden verknüpft

Durch eine weitere Initiative wird die Bevölkerung in den Feuchtgebieten an der Küste und an den Flussufern unterstützt, mit den Folgen des Klimawandels wie steigendem Meeresspiegel, einer Erosion der Küsten, der Versalzung der Brackwasserzonen und vermehrten Extremwetterereignissen fertig zu werden.

Finanziert wird das Programm von der Globalen Umweltfazilität der Vereinten Nationen GEF und durchgeführt unter Beteiligung des UN-Entwicklungsprogramms UNDP. Zu den wichtigsten Zielgruppen gehören Küsten- und Flussfischer, die besonders stark von klimabedingten Veränderungen betroffen sind.

Zunächst geht es im Rahmen des Programms um Studien, die helfen, die komplexen Veränderungsprozesse zu verstehen. Wichtig ist auch die Stärkung der institutionellen Strukturen, die für die Umsetzung politischer Maßnahmen zur Reduzierung von Klimarisiken in den Feuchtgebieten an den Küsten und Flussufern verantwortlich sind. Durch Maßnahmen wie die Anpflanzung von Mangroven soll der Küstenschutz verbessert werden.

Eng verknüpft damit sind Initiativen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der lokalen Bevölkerung. Die Küsten- und Binnenfischer müssen dafür ihre Fangmethoden verbessern. Die bisher häufig eingesetzten einfachen Schleppnetze bringen geringe Erträge, verursachen aber beträchtliche ökologische Schäden am Boden der Gewässer. Bessere Fangmethoden haben also sowohl ökonomisch als auch ökologisch bedeutende Vorteile.

Austern ernten, ohne Mangroven zu zerstören

Mit einem Programm, das vom UN-Entwicklungsprogramm UNDP unterstützt wird, soll die Austernwirtschaft ökologisch verantwortungsbewusster gestaltet werden. In Gambia schneiden Frauen bisher viele Mangrovenwurzeln ab, an denen Austern haften, um so leichter an die Schalentiere zu gelangen. Das schädigt die Mangrovenwälder erheblich. Deshalb werden die Frauen dabei beraten und unterstützt, die Austern auf nachhaltige Weise zu ernten. Statt mit Machete oder Axt die Wurzeln abzuschlagen, werden nun die Austern vorsichtig mit Messern von den Wurzeln gelöst.

Sechs Frauen sitzen bei der Arbeit mit den Austern draußen im Schatten zusammen
Mit dem sorgsamen Ernten und dem Schälen der Austern tragen Frauen zu einer nachhaltigen Nutzung des Meerestier-Reichtums von Gambia bei. Foto: UNDP Gambia

In der „TRY Oyster Women’s Association“ (TRY Austern-Frauenvereinigung) engagieren sich inzwischen mehr als 700 Frauen aus 15 Dörfern für diese nachhaltige Austernnutzung. Zusätzlich beteiligen sie sich an der Wiederaufforstung der Mangrovenwälder, die sowohl für die Erhaltung des Fischreichtums als auch für den Schutz der Küsten angesichts immer stärkerer Stürme unverzichtbar sind.

Da die Mitglieder der Vereinigung inzwischen ihre Ernte sehr erfolgreich vermarkten, hat sich ihre wirtschaftliche Situation deutlich verbessert, ein bedeutender Erfolg für die bisher stark marginalisierten Frauen. Gleichzeitig wird ein wichtiger Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz geleistet.

Fatou Janha Mboob, die als Koordinatorin für die Vereinigung arbeitet, zieht eine positive Bilanz des bisherigen gemeinsamen Engagements: „Als wir die Vereinigung gebildet haben, konnten wir uns noch gar nicht vorstellen, dass wir sogar international Anerkennung für unsere Arbeit finden würden. Wir sind sehr stolz auf unsere bescheidenen Anstrengungen und unseren Beitrag zum Schutz der Umwelt und für die Verbesserung der Lebenssituation von Frauen in Gambia.“

Fische räuchern für eine bessere Zukunft

Ein weiteres Beispiel für die Schaffung neuer und besserer Arbeitsplätze in der Fischereiwirtschaft ist der Bau von Räuchereien mit UNDP-Unterstützung. Es wurden in drei Orten große Räuchereien errichtet, in denen die Fische hygienisch und unter Nutzung moderner Technik geräuchert werden.

Noch leer und neu sieht es in dem modernen Räucherhaus aus.
Moderne Fischräuchereien verbessern die Einnahmemöglichkeiten der beteiligten Frauen und erhöhen gleichzeitig die Qualität der Räucherfische, die nun auch besser exportiert werden können. Foto: UNDP Gambia

Da Frauen traditionell für das Fischräuchern zuständig sind, wurden 150 Frauen ausgebildet, diese Räuchereien effizient zu betreiben und die Fische erfolgreich zu vermarkten. Auf diese Weise erzielen die Fischerfamilien ein höheres Einkommen, und die Käufer erhalten qualitativ besseren Fisch. Außerdem soll mit dem qualitativ hochwertigen Räucherfisch der gambische Fischexport gesteigert werden.

Erfolgreiche erste Schritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Fischereiwirtschaft

Die Fischereiwirtschaft trägt in Gambia 12 % zum Sozialprodukt bei, ist also einer der wichtigsten Wirtschaftszweige und hat auch für den Export des Landes eine erhebliche Bedeutung. Es wird geschätzt, dass 200.000 Menschen von Einnahmen aus Fischfang und -verarbeitung leben. Deshalb muss alles getan werden, damit dieser Sektor die Anpassung an den Klimawandel schafft.

Mit Unterstützung der Vereinten Nationen wird wie dargestellt mit verschiedenen Programmen versucht, Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel mit einer schon kurzfristig spürbaren Verbesserung der ökonomischen Situation und einer nachhaltigen Nutzung von Ressourcen zu verbinden. Dabei geht es auch um die Ernährungssicherheit durch die Verfügbarkeit von ausreichend Fisch für die gesamte Bevölkerung. Und es geht um die Schaffung neuer Arbeitsplätze für eine hohe Zahl von jungen Leuten, denen bisher oft nur die Alternative Arbeitslosigkeit oder Migration bleibt.

Dass der Fischfang bisher kaum moderne Methoden nutzt und oft noch mithilfe nicht motorisierter Kanus erfolgt, eröffnet die Chance, Fangmethoden einzuführen, die deutlich höhere Erträge erbringen und gleichzeitig die Umwelt schonen. Nur so wird es möglich sein, mit den Risiken durch den Klimawandel fertig zu werden. Bisherige Programmergebnisse lassen die Hoffnung zu, dass dies gelingen kann. Allerdings sind solche Initiativen auf Dauer zum Scheitern verurteilt, wenn der globale Klimawandel nicht gebremst werden kann.

(Frank Kürschner-Pelkmann)


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